
Wolfram Koch: „Es ist absolut wichtig, jetzt Theater zu machen“
Frankfurter Rundschau
Der Schauspieler Wolfram Koch blickt voller Zorn auf den Lockdown zurück, als die Theater schlossen. Vor seinem 60. Geburtstag kämpft er für die rauschhafte Freiheit auf der Bühne.
Ein Sinnbild unserer Corona-Tage. Die Kantine von Schauspiel Frankfurt, seit Jahrzehnten vertrauter Treffpunkt der Menschen vom Theater, Ort der Kommunikation und Nähe, ist von Plexiglasscheiben in kleine Solo-Kabinen unterteilt. Immer nur ein Stuhl signalisiert den Maskierten, die an diesem Morgen hereinkommen, dass sie gefälligst unter sich bleiben sollen. Wolfram Koch formt mit seinem Besucher eine Zweier-Insel am großen Panorama-Fenster. Der drahtige Mann, in seiner Jugend leidenschaftlicher Geräteturner, ist stets in Bewegung, auch wenn er sitzt. Das Theater-Tier kann gar nicht anders, es will gestikulieren, darstellen, für Sekunden in Rollen verfallen, mit listigem Schalk sein Gegenüber verführen. In wenigen Wochen feiert der Schauspieler 60. Geburtstag. Seine Erfahrung mit dem Alter fasst er lächelnd so zusammen: „Ich werde immer entspannter, leichter und das Spielen wird tiefer.“
Am Abend zuvor hat er wieder eine seiner Paraderollen gegeben, im ausverkauften Großen Haus, den Staatsschauspieler Bruscon in Thomas Bernhards Drama „Der Theatermacher“, den zweieinhalbstündigen Monolog eines vom Leben Gezeichneten, ein darstellerischer Parforce-Akt, dem Publikum bleibt an der Scheidelinie von Komik und Tragik das Lachen im Halse stecken. Ein Part, der auch körperlich extrem fordert. Und doch scheint Koch beim langen Schlussapplaus fit und agil. „Theaterspielen gibt Energie“, sagt er knapp. Mitten in seinen langen, mäandernden Sätzen, die er mit Bewegungen unterstreicht, brechen solche kurzen Sentenzen den Redestrom. Koch ist sehr froh darüber, gerade jetzt, mitten in der vierten, heftigen Corona-Welle auf der Bühne stehen zu können und zu dürfen. „Es ist absolut wichtig, jetzt Theater zu machen, die Leute haben eine Sehnsucht danach, das fühlt man.“
Er freut sich über das junge Publikum. „Sehr viele junge Leute sehnen sich nach diesem Live-Vorgang auf der Bühne, sie haben die Nase so voll von der Einigelung zu Hause.“ Wir sitzen zu dieser frühen Stunde alleine in der Kantine. Der 59-Jährige blickt im Zorn zurück auf die lange Zeit des Lockdowns, in der die Theater schließen mussten, während die Baumärkte offenblieben. Von wegen „Kultur-Nation!“ In Kochs Augen war das eine „absolute Frechheit“. Andererseits: Der Schauspieler will „nicht systemrelevant sein“, so wie es Baumärkte nun mal zu sein scheinen. Nein, „Theater ist dunkel, rauschhaft, verrückt, nicht greifbar!“