Wohlfühlen unterm Sternenbanner
Süddeutsche Zeitung
Warum die Staaten im Baltikum eine Entsendung weiterer Bundeswehrsoldaten sicherlich gut finden - ihnen aber eigentlich noch etwas anderes vorschwebt.
Es ist eine Ankündigung, mit der Olaf Scholz nicht nur in Osteuropa für Beruhigung sorgen will. Auch in den USA dürfte sie gut ankommen. Kurz vor seinem Abflug nach Washington hatte der Bundeskanzler im ARD-Interview wissen lassen, dass die Bundeswehr die Zahl ihrer im Baltikum stationierten Soldaten durchaus erhöhen könnte. "Wir sind bereit, alles Notwendige zu tun, um das zu verstärken", sagte Scholz. Er werde darüber mit den Staats- und Regierungschef von Estland, Lettland und Litauen sprechen, die am Donnerstag nach Berlin reisen.
Auch der Washington Post hat der Kanzler ein Interview gegeben. Und es diente demselben Zweck wie sein Fernsehauftritt. Scholz will den Eindruck zerstreuen, Deutschland tue zu wenig im Verteidigungsbündnis Nato. Ein Eindruck, der sich auf beiden Seiten des Atlantiks festgesetzt hat. So verwies Scholz darauf, dass Deutschland den "größten Verteidigungshaushalt in Kontinentaleuropa" habe, und betonte auch hier das Engagement im Baltikum: "Wir haben Hunderte Soldaten in Litauen stationiert, wo wir die Führung des Nato-Programms Enhanced Forward Presence (EFP) übernommen haben." Die Luftwaffe beteilige sich regelmäßig an der Überwachung des baltischen Luftraums und werde dies auch künftig tun.
Der französische Präsident will in Moskau Optionen für eine Deeskalation ausloten. Vorab wird über einen Weg spekuliert, wie er Putin ein kleines Stück entgegenkommen kann, ohne die Zusagen der Nato an die Ukraine infrage zu stellen. Von Jens Schneider
"Verstärkte Vornepräsenz" heißt das EFP-Programm bei der Bundeswehr. Es war 2016 auf dem Nato-Gipfel in Warschau beschlossen worden, um Solidarität mit den Osteuropäern zu zeigen. 2014 hatte Russland in der Ostukraine Separatisten unterstützt und die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert. Das hatte zu einem Umdenken in der Nato geführt. Nach Jahren der Kriseneinsätze und der Hoffnung, in Russland einen "strategischen Partner" zu haben, konzentrierte sich das Bündnis wieder auf Abschreckung, Landesverteidigung und den Schutz seiner Mitglieder. Wie wichtig dieser Schwenk war, zeigt sich in der aktuellen Lage: An den Grenzen zur Ukraine sind mehr als 115 000 einsatzbereite russische Soldaten präsent.
2017 wurden in Polen sowie den baltischen Republiken jeweils ein multinationaler Kampfverband stationiert. Er umfasst bisher meist zwischen 1000 und 1200 Soldatinnen und Soldaten. Neben Panzern gehören auch Luftabwehr- sowie Aufklärungseinheiten dazu. Weil die Nato-Russland-Grundakte aus dem Jahr 1997 keine dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen in Osteuropa erlaubt, rotiert das Personal alle sechs Monate.