Wofür brennst du?
Süddeutsche Zeitung
Am privaten Gymnasium Birklehof haben die Schülerinnen und Schüler viele Möglichkeiten, ihre Vorlieben zu entdecken, bevor sie sich für ein naturwissenschaftliches, musikalisch-künstlerisches oder sprachliches Profil entscheiden. Bei der Erziehung spielen soziale Kompetenzen eine besondere Rolle.
Strafe Internat? Wenn Henrik Fass mit Eltern und deren Tochter oder Sohn ein Aufnahmegespräch führt und im Dialog mit dem Kind diese Vorstellung auch nur aufblitzt, dann rät der erfahrene Pädagoge von einer Ausbildung im Internat ab. Der Leiter der Internatsschule Birklehof in Hinterzarten in Baden-Württemberg hält es für wichtig, dass nicht allein die Eltern sie anstreben. Entscheidend für ihn ist, dass der Jugendliche selbst am Birklehof leben will. Das und vieles mehr will er beim Erstgespräch ergründen - etwa, ob ein Kind fürs Gymnasium geeignet ist. Und dafür nehme er sich jedes Mal viel Zeit, sagt Fass beim Gespräch in dem großen Konferenzzimmer im Haupthaus von 1923, das auf einem Hügel steht und zu dem ein markanter Turm gehört.
In dem lichtdurchfluteten Konferenzzimmer in der Form eines Oktagons finden auch die Aufnahmegespräche statt. Von ihm gelangt man auf eine Terrasse mit Panoramablick auf das acht Hektar große Privatschulgelände mit Wiesen, knorrigen Linden und Buchen, Sport- und Spielplätzen und Fichtenwäldern am Horizont. Das Internat liegt außerhalb des Zentrums von Hinterzarten, einem belebten Kurort.
Er achte genauso auf die "Interessen, Berufsvorstellungen, Arbeits- und Sozialverhalten und das Engagement" des Kindes wie auf dessen "Sorgen, Hoffnungen und schlechten Schulerfahrungen", erläutert der Schulleiter des privaten Gymnasiums mit staatlicher Anerkennung. Fass ist gertenschlank und trägt ein elegantes Sakko in changierenden Blautönen. "Es geht mir nicht darum, nur Hochleister aufzunehmen, sondern um junge Menschen, die bereit sind, gefordert zu werden, die sich auf das Denkenlernen genauso einlassen wie darauf, Verantwortung zu übernehmen", erläutert der Lehrer für Philosophie, Geschichte und Religion.
Schulleiter Henrik Fass legt Wert darauf, dass die Jugendlichen sich sozial engagieren - innerhalb, aber auch außerhalb der Internatsgemeinschaft.
150 Internatsschüler leben zurzeit in Hinterzarten, hinzu kommen 70 Tagesschüler aus der Umgebung. Die meisten Internatsschüler stammen aus dem deutschsprachigen Raum - aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Elsass oder Luxemburg, einige aus Russland, der Ukraine, Korea oder Vietnam. Wie andere Internate auch beschränkt der Birklehof den Anteil nicht-deutschsprachiger Schüler: "Bei uns gilt die Regelung, dass wir höchstens 20 Prozent nicht-deutschsprachige Internatsschüler aufnehmen", sagt Gwendolyn Wellmann, 46, Leiterin der Sekundarstufe I. "Ansonsten würde die Qualität des Unterrichts leiden", fügt die Fachlehrerin für Musik und Englisch hinzu. Das liege auch an unterschiedlichen Vorstellungen von einer guten Lernkultur: Hierzulande bekommt man Lob und gute Noten, wenn man sich aktiv in den Unterricht einbringt, was längst nicht in allen Ländern als erstrebenswert gilt.