Wladimir Putin: Russlands Präsident lebt in einer anderen Welt
Frankfurter Rundschau
Putin lässt nur die Wahrheit an sich ran, die er hören will. Das führte nicht nur zum Ukraine-Krieg, sondern macht ihn zum Bittsteller in Peking – und noch gefährlicher.
Kurz vor dem neuen Jahrtausend beschäftigten zwei Themen immer wieder die deutschen Medien: ein möglicher Programmierfehler zum Jahreswechsel in digitaler Infrastruktur und ein scheinbar unberechenbarer Trinker im Kreml, Boris Jelzin.
Der Morgen des 1. Januars 2000 zeigte: Alle Computer funktionierten normal und in Russland war Boris Jelzin vernünftigerweise zurückgetreten. Damit endete in einem Teil der ehemaligen Sowjetunion eine kurze politische Phase, die demokratischer schien, als sie tatsächlich war.
Heute wissen wir, dass auf Jelzin ein Mann folgte, der die kümmerlichen Keime der Demokratie in Russland ganz zerstörte. Ein Mann, der die neue Realität nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht akzeptieren konnte, oder wie die ermordete russische Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Buch „In Putins Russland“ 2005 schrieb: „Putin, der dem finstersten aller russischen Geheimdienste entstammt, hat es nach seiner Wahl zum Präsidenten nicht vermocht, über sich hinauszuwachsen, will heißen, den Oberstleutnant des KGB in sich auszumerzen.“
Jetzt lautet die Frage, ob Russlands Weg unter Wladimir Putin zwangsläufig in ein diktatorisches Regime führen musste, das Angriffskriege startet. Wäre Putin nach innen weniger repressiv vorgegangen, wenn er von der EU und besonders von den USA auf Augenhöhe behandelt worden wäre? Aber kann man jemanden, der die Opposition unterdrückt, und mit brutaler Härte Krieg im Kaukasus führte, ohne Kritik davonkommen lassen?
Anfang der 2000er Jahre wurde unter deutschen Korrespondent:innen in Moskau kolportiert, dass Putin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder auch deswegen gut miteinander auskamen, weil Schröder Putin nie öffentlich kritisierte. Nach Schröder wurde während der Ära Angela Merkel die Kritik aus Deutschland an Putin lauter, und erst recht die aus den USA.