
Wird Hongkongs Fußball von China geschluckt?
DW
Sportlich läuft es recht gut für Hongkongs Nationalmannschaft. Doch wiederholte Proteste im Stadion gegen China sorgen dafür, dass hinter der Zukunft des Fußballs in der ehemaligen Kronkolonie ein Fragezeichen steht.
Eigentlich wirkt es wie ein eher unbedeutendes Fußballspiel in einem eher unbedeutenden Turnier. Am 27. Juli treffen bei den Ostasien-Meisterschaften in Japan die Mannschaften Hongkongs und Chinas aufeinander. In den vergangenen Jahren waren diese Duelle der beiden Teams allerdings alles andere als gewöhnlich. Zu groß war die politische Brisanz hinter dem Sport.
So trat Chinas Nationalmannschaft im November 2015 im Mongkok-Stadion in Hongkong an. Die Erinnerungen an die am Ende unterdrückten pro-demokratischen Proteste waren noch frisch. Während der so genannten "Regenschirm-Revolution" hatten zwischen September und Dezember 2014 Hunderttausende in Hongkong für transparentere Wahlen demonstriert. Als ein Jahr später im Mongkok-Stadion für beide Teams als Hymne der "Marsch der Freiwilligen" ertönte, drehten sich viele Hongkonger Fans demonstrativ um und buhten. Die Aktion erregte mehr Aufmerksamkeit als das Spiel, das mit einem 0:0 endete.
Vier Jahre später wiederholte sich die Aktion. Im November 2019 buhten Hongkonger Fans erneut während der Hymne. Die Partie gegen Kambodscha war das letzte Heimspiel Hongkongs, bevor wegen der Corona-Pandemie in dem "Besonderen Verwaltungsgebiet" und auch auf dem chinesischen Festland alle Sportveranstaltungen untersagt wurden. All dies geschah vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen der Führung in Peking und der ehemaligen britischen Kronkolonie, die 1997 wieder unter chinesische Kontrolle gestellt worden war.
"Ganz unabhängig von der politischen Einstellung, die man hat - es besteht kein Zweifel daran, dass die Kontrolle Chinas über das Sonderverwaltungsgebiet zugenommen hat und dass Pekings Präsenz in der Tagespolitik sichtbarer geworden ist", sagt Tobias Zuser der DW. Der Wissenschaftler, der sich mit Sportsoziologie, Kulturpolitik und digitalen Medien beschäftigt, ist Dozent an der Chinesischen Universität Hongkong. "In den vergangenen Jahren haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Hongkong stark verändert", fügt Zuser hinzu und verweist auf die umstrittenen neuen Gesetze, die 2020 in Kraft traten.
Dazu gehört das sogenannte "Nationale Sicherheitsgesetz", dass es der kommunistischen Führung in Peking erleichtert, pro-demokratische Demonstranten in Hongkong zu verfolgen. Auch Buhrufe bei Fußballspielen stehen inzwischen unter Strafe. Wer die Hymne "nicht respektiert", muss mit mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren und hohen Geldstrafen rechnen, heißt es im "Nationalhymnen-Gesetz". Menschenrechtsaktivisten in Hongkong und auch weltweit reagierten entrüstet auf das Gesetz.