Wir können „Nosferatu“ nicht entkommen
Die Welt
Warum häufen sich seit neustem die Aufführungen des 100 Jahre alten Stummfilmklassikers? Eine Ausstellung über die Inspirationen für Murnaus Film versucht eine Antwort. Die ist einleuchtend, aber extrem beunruhigend für unsere Gegenwart.
Die Ausstellung „Phantome der Nacht – 100 Jahre Nosferatu“ ist spät dran. Friedrich Wilhelm Murnaus Vampirfilm wurde im März 1922 im Berliner Marmorsaal uraufgeführt, die Ausstellung im Berliner Scharf-Gerstenberg-Museum hat erst gerade eröffnet, im Dezember 2022. Für die Verspätung war eine Seuche namens Corona ursächlich, die von Osten her über uns hereinbrach, so wie – historisch koinzident – die Pest, die Nosferatu in dem Film bei uns einschleppt, von den Karpaten in das kleine Städtchen Wisborg, alias Wismar.
Es gibt keinen anderen Stummfilm, der heutzutage derart inflationär gezeigt wird wie „Nosferatu“, nicht einmal „Metropolis“. Man könnte auch „manisch“ sagen statt „inflationär“. Inzwischen vergeht kaum eine Woche mehr, in der er nicht in einem deutschen Kino, Museum oder Konzertsaal auf dem Programm steht, ein jahrhundertalter, nachkolorierter Schwarzweißfilm, begleitet von einem Klavier oder einer Orgel oder einem ganzen Orchester. Die Nachfrage nach „Nosferatu“ ist enorm gewachsen. Es ist nicht die übliche Cineasten-Klientel, es sind Leute aller Couleur. Man sieht viele junge.