"Wir arbeiten drei Jahre auf eigene Kosten"
n-tv
Zwei große US-Agenturen teilen sich seit Jahrzehnten den weltweiten Ratingmarkt auf. Die deutsche Creditreform Rating arbeitet seit Jahren an einem Plan, das zu ändern. Bald wird sich herausstellen, ob dieser Plan aufgeht, wie Agentur-Chef Michael Munsch in Gespräch mit ntv.de erzählt. Zudem wendet er sich dagegen, angesichts der anziehenden Inflation, steigender Energiepreise und Lieferkettenproblemen die gesamte Wirtschaftslage schlechtzureden.
ntv.de: Die Wirtschaft ist bisher überraschend glimpflich durch die Corona-Krise gekommen. Insolvenzwellen, massenhafte Zahlungsausfälle und Staatspleiten blieben aus. Jetzt am Ende der Pandemie macht sich aber Ernüchterung breit. Es wird schon wieder die Gefahr neuer Krisen etwa durch steigende Energiepreise heraufbeschworen. Was sehen Sie, wenn Sie die Bonität von Unternehmen und Staaten unter die Lupe nehmen?
Michael Munsch: Zahlungsausfälle und Insolvenzen bewegen sich bislang weiter auf einem extrem niedrigen Niveau. Anfang dieses Jahres hatte ich selbst noch einen Anstieg um 20.000 Insolvenzen für 2021 prognostiziert. Das ist aber ausgeblieben. Wenn wir jetzt in die Zukunft, auf das kommende Jahr schauen, sehen wir zwei gegenläufige Trends. Der eine ist die Rückkehr zum normalen Insolvenzrecht nach fast zwei Jahren Ausnahmeregelung. Das heißt, bei zu erwartender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung werden wieder mehr Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Der andere Trend ist die gleichzeitige wirtschaftliche Erholung.
In den europäischen Chefetagen trübt sich der Blick auf die Lage ein. In der Industrie weitet sich die Krise aus - und nun schwächeln auch noch die Dienstleister. Vor Experten rückt eine Erholung der Konjunktur damit in einige Ferne. Einer der Gründe für den Pessimismus ist auch die politische Schwäche Deutschlands und Frankreichs.