Wie Menschen in Kiew die russische Invasion erlebten
DW
Laute Explosionen, Anspannung und überall Menschen- und Autoschlangen - mit dem Beginn der russischen Invasion änderte sich Kiew alles. Doch die meisten Hauptstädter blieben erstaunlich ruhig. Ein Rundgang.
Schon bald nach dem ersten Schock angesichts der Explosionen, die die Kiewer am 24. Februar gegen 5 Uhr morgens hörten, begannen einige Einwohner der Hauptstadt, hastig das Nötigste in ihre Autos zu laden und ihre Familien aus der Stadt zu bringen. Bereits um 6 Uhr bildeten sich im Süden und Westen Kiews Staus auf den Straßen. Die Polizei forderte die Menschen auf, bei Unfällen beschädigte Autos schnell an den Straßenrand zu ziehen und den Weg für die Evakuierung frei zu machen. Vor allem die Ausfallstraßen und die Autobahnen in Richtung Süden und Westen wurden für die Flucht vor der russischen Invasion genutzt.
Die in der Stadt verbliebenen Kiewer hörten den offiziellen Botschaften und Appellen von Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko aufmerksam zu. Der Bürgermeister versicherte, das Leben in der Hauptstadt gehe weiter, öffentliche Verkehrsmittel würden weiter fahren und seien für alle Fahrgäste kostenlos. Nur Schulen und Kindergärten seien geschlossen.
Klitschko riet den Menschen, die nicht in wichtigen Objekten der Infrastruktur beschäftigt sind, zu Hause zu bleiben, zu schauen, wo der nächste Luftschutzbunker ist, sich auf die ukrainische Armee zu verlassen und Ruhe zu bewahren. Ähnliche Appelle richteten Präsident Selenskyj und die Abgeordneten des Parlaments an die Bevölkerung. Sie alle versicherten, dass sie in Kiew bleiben würden.
Sämtliche Politiker, die regelmäßig vor die Presse traten, erklärten ihre bedingungslose Unterstützung für den Oberbefehlshaber und die Führung der Streitkräfte der Ukraine. Im Büro des Präsidenten fanden fast ununterbrochen Briefings für die Presse statt. Doch am Nachmittag wurden die Journalisten gebeten, in ihre Redaktionen zu fahren. Mychajlo Podoljak, Berater des Präsidialamtsleiters, begründete dies mit Sicherheitserwägungen und sagte, er schließe die Landung russischer Truppen im Regierungsviertel nicht aus, um die ukrainische Regierung zu stürzen.
Am Vormittag waren so viele Menschen in der Metro, in Trolleybussen und Bussen zu sehen wie an einem normalen Arbeitstag. Wie angespannt die Lage war, zeigte sich aber an den langen Schlangen vor Geldautomaten, Apotheken und Supermarktkassen. Lebensmittelknappheit gab es nicht, die Stimmung in den Warteschlangen war ruhig, aber es waren viele ängstliche Gesichter zu sehen. Der Umgang zwischen den Menschen war höflich. Sie gaben gerne Interviews, wollten aber nicht namentlich genannt und auch nicht fotografiert werden - aus Sicherheitsgründen.