Wie künstliche Intelligenz sogar Herzleiden entdecken kann
RTL
Anita Gruber hatte bereits mit 20 Jahren erste Herzrhythmusstörungen, die Symptome verschlimmerten sich mit den Jahren. Helfen konnte ihr Künstliche Intelligenz
Herzrhythmusstörungen gezielt behandeln, Brustkrebs sicher diagnostizieren: Das können Ärzte immer besser, weil sie Unterstützung bekommen – von Künstlicher Intelligenz (KI). Die "schlaue" Software kann dem Arzt etwa zeigen, wo genau er Herzmuskelgewebe veröden muss oder welche Stellen in der Mammographie auffällig sein könnten. KI in der Medizin nimmt in Deutschland Fahrt auf und das hat Vorteile für die Patienten.
Anita Gruber aus Bayern hatte bereits mit 20 Jahren die ersten Herzrhythmusstörungen, nach weiteren Erkrankungen verschlimmerten sich die Symptome, wie sie im Video oben erzählt. Schließlich flimmerte ihr Herz vier Monate ohne Unterbrechung. Die 60-Jährige erinnert sich an eine sehr leidvolle Zeit: "Normales Gehen war nicht mehr drin. Ich habe nur noch gelegen und geschlafen. Es ging nichts mehr. " Helfen konnte ihr schließlich eine Behandlung im Deutschen Herzzentrum München. Heute fühlt sie sich wie neugeboren. Das Herz von Anita Gruber schlägt wieder regelmäßig und dabei hat auch Künstliche Intelligenz geholfen.
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung, allein in Deutschland sind 800.000 Menschen betroffen. Typische Symptome sind Herzrasen und Kurzatmigkeit, zudem haben schwer betroffene Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Häufig kann der unregelmäßige Herzschlag mit Medikamenten reguliert werden. Doch wenn das nicht ausreicht, muss Herzmuskelgewebe verödet werden, um das überaktive Herz wieder in den Takt zu bringen.
Und genau hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel. Sie ist ein hilfreiches Instrument und kann die Behandlungsergebnisse verbessern, glaubt Professorin Isabel Deisenhofer, Leiterin der Abteilung für Elektrophysiologie im Deutschen Herzzentrum München. Denn Vorhofflimmern sei nichts anderes als eine Art Chaos im Herzen, und "dafür ist diese Software da, dieses Chaos zu sortieren", so Deisenhofer.
Mit einem speziellen Katheter, der ins Herz geschoben wird, können Ärzte das Flimmern stoppen. Sie veröden die Stellen im Herzgewebe, die zu aktiv sind. Doch welche das genau sind, ist manchmal schwer zu bestimmen, vor allem bei Patienten mit langanhaltendem Vorhofflimmern. Der Erfolg des Eingriffs hängt viel von der Erfahrung und Intuition der Ärzte ab, in etwa 50% der Fälle ist eine erneute Behandlung notwendig. Mithilfe der Künstlichen Intelligenz dagegen kann in Echtzeit gemessen werden, wo genau die Rhythmusstörungen im Herzen ausgelöst werde und welche Areale das Vorhofflimmern am Laufen halten. Dort können die Ärzte dann gezielt veröden. Noch wird das Verfahren in München im Rahmen einer klinischen Studie getestet, doch Deisenhofer ist zuversichtlich, dass Künstliche Intelligenz bei der Behandlung von Herzrhythmusstörungen Potenzial hat. "Diese Computer helfen uns, besser zu werden", so Deisenhofer. Das seien Werkzeuge wie eine Nadel oder ein Skalpell. Die Software ermögliche ihr, Patienten zu behandeln, die sonst nicht behandelt werden könnten.
Auch bei der Diagnostik von Brustkrebs spielt Künstliche Intelligenz eine Rolle. Bereits seit einem Jahr setzt Dr. Thilo Töllner als leitender Arzt eine spezielle Software am Brustzentrum der Klinik Dr. Hancken in Stade ein. Im Rahmen des Mammographie-Screenings begutachten er und sein Team jedes Jahr etwa 25.000 Aufnahmen der weiblichen Brust. "Man muss lange trainieren und üben bis man Auffälligkeiten entdeckt", so Töllner, "wir haben im Mammographie-Screening etwa 6 Karzinome auf 1000 Untersuchungen. Das bedeutet, ich muss meine Aufmerksamkeit ständig hochalten. Ich muss mir jedes Bild gut und genau angucken und darf nicht ermüden."
Jede Mammographie wird von zwei Radiologen begutachtet. Um die Diagnose noch sicherer zu machen, sucht parallel auch die KI im Hintergrund nach Auffälligkeiten, ohne den Arzt zu beeinflussen. Erst wenn der Radiologe einen Befund als in Ordnung bewertet, die KI aber zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, meldet sich die Software. Eine auffällige Stelle wird dann erneut geprüft. Die KI sei nicht immer besser, so Töllner, ein Radiologe habe viel Erfahrung und manchmal auch das Bauchgefühl, dass etwas nicht stimme. Allerdings habe die KI einen großen Vorteil. "Die KI kann menschliche Schwächen ausgleichen, das heißt, sie wird nicht müde, ihr ist Monotonie egal, all diese Dinge. Sie arbeitet einfach immer auf einem gleichen Niveau", so Töllner. Er sieht nicht, dass die intelligente Software Ärzte ersetzen wird, aber sie könne die Arbeit erheblich beschleunigen. Je mehr Daten eine KI hat, desto besser kann sie werden. Dafür sei es wichtig, die KI mit qualitativ guten Daten zu füttern.
Zurück im Deutschen Herzzentrum in München. Das Herz von Patientin Anita Gruber schlägt nach der Behandlung wieder im Takt und sie ist überglücklich: "Ich konnte wieder einen Wäschekorb in den 2. Stock hinauftragen, ich konnte wieder Rad fahren, ich konnte wieder spazieren gehen, ich konnte wieder ein Leben haben. Unglaublich", freut sich die 60jährige.