Wie ein Waggon auf Schienen
Süddeutsche Zeitung
Die Abteilung Rodeln steuert wieder die erste Goldmedaille fürs deutsche Team bei - diesmal durch Johannes Ludwig, den erfahrenen Athleten, der immer noch dazulernt.
Gelernt hat er viel, auch als bereits gealterter Rennrodler, nachdem er die 30-Jahre-Grenze überschritten hatte. Johannes Ludwig hatte schon lange diesen Sport betrieben, und blieb doch immer offen für die kleinen Details, die den Unterschied ausmachen zwischen einer Medaille oder einem hinteren Platz. Zum Beispiel die Sache mit dem Energy-Drink.
Den hatte er nun in Peking dabei, womit er anders als vor vier Jahren in Südkorea zwischen den Durchgängen nicht müde wurde. Zum klugen Altern zählt auch seine jüngste Erfahrung in St. Moritz, wo sein Kopf sagte, dass ohnehin alles von selbst laufe, sein Körper aber einen schweren Fehler an einer leichten Stelle beging. "Ich muss immer hellwach bleiben", schloss er daraus mit 35 Jahren, und deshalb ist er jetzt Olympiasieger.
Über 3000 Meter wird Claudia Pechstein in Peking Letzte, stellt aber wieder einen Rekord auf: Als erste Frau hat die 49-Jährige nun an acht Olympischen Spielen teilgenommen. Und kommt "aus dem Strahlen nicht mehr heraus". Von Barbara Klimke
Denn hellwach war Ludwig nicht nur am Sonntag gegen zehn Uhr abends bei seinen finalen Kurven in der Rodelbahn in Yanqing, sondern in allen vier Läufen an diesem Wochenende, nach denen er im ZDF sagte: "Ich bin froh, dass ich all die Jahre am Ball geblieben bin."
Der Oberhofer führte seit dem Beginn dieses Wochenendes die Konkurrenz an. Irgendwelche Schwächen fielen nicht ins Gewicht, leichte Abweichungen von der Ideallinie, etwa im langen Kreisel im unteren Drittel der Bahn, konnte er mit zumeist pünktlichen Lenkeinsätzen ausgleichen. Diese müssen bei etwa 130 Stundenkilometern binnen weniger Zentimeter auf der Bahn per Fußspitzenzucken am Rodel-Horn ausgelöst werden, weshalb dieser Sport auch Präzision jenseits des bewussten Denkens verlangt. Ihm ist dies in Peking am besten gelungen, Silber gewann der Österreicher Wolfgang Kindl vor dem Italiener Dominik Fischnaller.