Wie der Stör ausgerottet wurde – und wieder zurückkehren soll
Frankfurter Rundschau
Die einst weit verbreiteten Fische gelten in Deutschland als ausgestorben. Ein Berliner Biologe und sein Team wollen zwei Arten wieder ansiedeln.
Seit etwa 200 Millionen Jahren leben Störe auf der Erde. Sie waren schon da, als noch Dinosaurier den Planeten bevölkerten. Sie haben Kontinentalverschiebungen, Vulkanausbrüche und Eiszeiten überlebt, sich immer perfekt an ihre veränderten Lebensräume angepasst. Doch mit dem Eingriff des Menschen in die Natur sollte die Geschichte des Störs ein jähes Ende finden. Waren die Knochenfische bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in der Nord- und Ostsee noch weit verbreitet, gelten sie in Deutschland mittlerweile als ausgerottet. Von den weltweit 27 bekannten Stör-arten sind 80 Prozent gefährdet oder vom Aussterben bedroht.
In den Nord- und Ostseezuflüssen Deutschlands waren zuletzt zwei Störarten zu finden: der Europäische und der Atlantische Stör. Der vom Mittelmeer bis in die Nordsee vorkommende Europäische Stör (lateinisch: Acipenser sturio) schwamm zum Laichen Flüsse wie den Rhein, die Weser, die Elbe, die Eider oder die nach ihm benannte Stör in Schleswig-Holstein hinauf. Heute gibt es nur noch eine wild lebende Population dieser Art mit wenigen Hundert Tieren in Frankreich, in der Gironde. Der Baltische oder Atlantische Stör (lateinisch: Acipenser oxyrinchus), auch in Nordamerika beheimatet, kam in Europa seit etwa 200 Jahren nur noch in der Ostsee und ihren Zuflüssen vor. Er wanderte für die Eiablage in Flüsse wie die Oder und die Weichsel.
Beide Störarten will Jörn Geßner wieder in Deutschland ansiedeln. Der Biologe vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin führt mit seinem Team regelmäßig Besatzaktionen durch, bei denen Jungtiere in der Elbe und der Oder ausgesetzt werden. Keine einfache Aufgabe, wo doch Störe – die mehr als hundert Jahre alt werden können – erst nach zwölf bis 17 Jahren überhaupt geschlechtsreif werden. „Die Tiere zum Aussterben zu bringen ist wesentlich einfacher, als sie wieder zurückzubringen“, sagt Geßner.
Dass die Atlantischen und Europäischen Störe hierzulande ausgestorben sind, hatte gleich drei Ursachen: Erstens gab es in der Vergangenheit eine massive Überfischung. „Überall, wo die Tiere vorgekommen sind, ist ihnen intensiv nachgestellt worden“, erklärt Geßner. Aufgrund ihrer zeitlich eng begrenzten Wanderung in die Flüsse und ihrer Körperlänge von maximal vier bis sechs Metern gingen die Knochenfische leicht ins Netz. Zweitens hat der Mensch ihre Wanderwege verbarrikadiert und umgestaltet.
Meterhohe Staudämme und Wehre machten es den Tieren unmöglich, in ihre Laichgewässer zu gelangen. Flüsse wurden begradigt, Kiesbänke, die als Laichplätze dienten, weggebaggert. Und drittens nahm die Gewässerverschmutzung zu. Abwässer und Chemikalien wurden in die Flüsse geleitet, was nicht nur dem Stör selbst, sondern auch seinem Nachwuchs zu schaffen machte. Der Stör ist nur einer von vielen Wanderfischen, denen der Mensch zusetzt. Auch repräsentiert er nur eine von Tausenden Tierarten, die in naher Zukunft dauerhaft von der Erde verschwinden könnten.