Wie Öl und Feuer
Süddeutsche Zeitung
Moskau will den Westen spalten. Im Norden erreicht es damit das Gegenteil: Finnland und Schweden rücken so nah an die Nato wie noch nie.
Es kommt etwas in Bewegung im Norden Europas. Ganz ungeplant.
Über die wahren Absichten Moskaus und seiner laufenden militärischen wie nichtmilitärischen Einschüchterungsoperationen weiß man noch nicht endgültig Bescheid. Aber man darf davon ausgehen, dass es stets eines der Hauptziele war, Verwirrung und Spaltung zu säen unter den Staaten des mittleren und westlichen Europas, vor allem den Nato-Alliierten und deren Verbündeten.
Nun aber geschieht genau deshalb etwas, das für Russlands Strategen ein Horror sein muss: Die beiden bündnisfreien Staaten Finnland und Schweden rücken näher an die Nato als je zuvor. Wladimir Putins Aggressionen und seine Forderungen nach einer neuen, von Russland gestalteten Sicherheitsordnung in Europa haben der Sicherheitsdebatte in den beiden Ländern eine Wendung gegeben, die nicht wenige Beobachter überrascht und Regierungspolitiker in Moskau erzürnt hat: Die Diskussion über einen möglichen Beitritt zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis hat in beiden Ländern an Fahrt aufgenommen.
Nein, weder in Finnland noch in Schweden steht ein Nato-Beitritt unmittelbar auf der Agenda. In beiden Ländern aber fühlen sich nun jene ermutigt, die genau diesen fordern. Und die anderen können der Debatte nicht mehr ausweichen. Die alte strategische Ambivalenz - wir könnten jederzeit der Nato beitreten, wir tun's aber bis auf Weiteres nicht - ist weiterhin die offizielle Politik in Helsinki und in Stockholm. Aber das Schweigen über Sinn und Unsinn dieser Politik, über Sinn und Unsinn eines möglichen Nato-Beitrittes hat fürs Erste ein Ende.
Die beiden Staaten Finnland und Schweden waren nie Teil der Nato und nennen sich deshalb bündnisfrei. Manchmal werden sie auch "neutral" genannt, aber das Wort trifft es nicht mehr wirklich: Während des Kalten Krieges noch gab es viele Jahre, in denen Helsinki seine Außenpolitik auch nach den Wünschen Moskaus ausrichten musste - spätestens aber mit dem EU-Beitritt 1995 fühlt sich auch Finnland voll verankert im westlichen Wertebündnis. Und als die EU beschloss, auch die Verteidigungszusammenarbeit auszubauen, waren auch die EU-Mitglieder Finnland und Schweden dabei.