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Werner und Werder: Gesucht und gefunden
Frankfurter Rundschau
Der Trainer hat den Bremer Zweitligist in kürzester Zeit wieder zu einem Aufstiegskandidaten flottgemacht. Er macht nichts Besonderes, aber alles besonders norddeutsch.
Anthony Jung war im Sommer der erste Spieler, den Werder Bremen nach dem bitteren Abstieg aus der Bundesliga verpflichtete. Kein spektakulärer Transfer, gewiss, aber der in Wiesbaden aufgewachsene, bei Eintracht Frankfurt ausgebildete und danach beim FSV Frankfurt spielende Allrounder kennt aus vier Spielzeiten bei RB Leipzig die Zutaten, die es für Aufstiege braucht. Nämlich: „Eine Siegesserie hilft immer.“ Mit seinem Zutun auch seinem Arbeitgeber: Weil der Linksverteidiger Jung zuletzt gegen den Karlsruher SC (2:1) mit seinem Kopfball den sechsten Sieg in Serie sicherte, sind die Grün-Weißen in der Zweiten Bundesliga das Team der Stunde.
Mit einem weiteren Erfolg bei Hansa Rostock (Freitag 18.30 Uhr) könnte Werder sogar die Tabellenführung erobern. „Die Stimmung, die Energie, der Spaß im Training – all das ist gut. Das erleichtert die Arbeit ungemein“, erzählte Jung am Dienstag in einer Medienrunde. Und natürlich hat der 30-Jährige noch viel über den Mann gesprochen, der den Stimmungsumschwung am Osterdeich erst möglich machte: Ole Werner. Einer, der all das verkörpert, was einen bodenständigen Bremer ausmacht, wie Jung findet. Vom Typ „fast emotionslos, nicht viel Ausschlag nach oben und unten. Er hat mehr Struktur, mehr Klarheit in die gesamte Geschichte gebracht.“
Werner und Werder – vielleicht passt das ja wirklich langfristig zusammen. Der 33-Jährige jagt jedenfalls den Trainer-Startrekord von Otto Rehhagel, der in der Zweitliga-Saison 1980/81 für den in einen Autounfall verwickelten Kuno Klötzer einsprang und gleich mal acht Siege einfuhr. Damals war Werder stärker denn je zurückgekommen, heute wäre der Wiederaufstieg vor allem wirtschaftlich fast überlebenswichtig. Der aktuelle Höhenflug kommt trotzdem überraschend.
Als der vom aktuellen Tabellenführer SV Darmstadt 98 losgeeiste Trainer Markus Anfang mit seiner dreisten Impfpass-Fälschung aufflog, zog das auch die ohnehin mit der neuen Umgebung fremdelnden Bremer runter. Die betrügerische Geschichte führte dazu, dass der gesamte Klub kurzzeitig die Orientierung verlor. Nach einer Niederlage in Kiel – noch ohne den Ex-Kieler Werner auf der Trainerbank – schien Ende November klar: Der Aufstiegszug fährt ohne Werder ab. Was seitdem passierte, ist gar nicht so leicht zu erklären.
Werder spielt unter Werner kein revolutionäres System, sondern genau mit jener Dreierkette, mit der Florian Kohfeldt nicht den Abstieg verhinderte und in die auch Anfang sein System bald überführte. An guten Tagen verkörpern die drei Verteidiger Milos Veljkovic, Ömer Toprak und Marco Friedl genauso überdurchschnittliches Zweitliga-Niveau wie die beiden Stürmer Niclas Füllkrug (acht Saisontore) und Marvin Ducksch (zwölf), die körperliche Präsenz mit enormer Torgefahr verbinden – und obendrein sehr ordentliche Fußballer sind. Gerade mit der Ducksch-Verpflichtung hat Geschäftsführer Frank Baumann vergangenen Sommer einen Glücksgriff gelandet; der Aufsichtsrat wird den Vertrag mit dem oft kritisierten Sportchef nun doch verlängern.