Wer erschoss die Arbeiter von Wujek?
DW
Vor 40 Jahren wurden im polnischen Bergwerk Wujek neun Bergleute getötet. Polizist Jan P. gab acht Schüsse ab. Obwohl Polens Staatsanwaltschaft seine Auslieferung fordert, führt er heute ein ruhiges Leben in Deutschland.
Am 16. Dezember 1981 gibt Jan P. acht Schüsse ab. Das schreibt er in einem Protokoll nach der Niederschlagung des Streiks im oberschlesischen Steinkohlebergwerk Wujek. Damals gehört P. den "Motorisierten Reserven der Bürgermiliz" (ZOMO) an, einer Sondereinheit der Polizei während der kommunistischen Diktatur in Polen (1944-89).
Heute führt Jan P. ein ruhiges Leben in einer kleinen Stadt bei Dortmund. Seit über 30 Jahren lebt er in Deutschland. Dorthin zieht Ende der 1980er auch sein Ex-ZOMO-Kollege Roman R.. Der wird 2019 in Kroatien aufgrund eines Europäischen Haftbefehls verhaftet und der polnischen Justiz übergeben. Nach seinem Prozess wird auch Jan P. erneut mit Europäischem Haftbefehl gesucht.
Sonntag, 13. Dezember 1981. Als die Bergleute der Nachtschicht erfahren, dass Jan Ludwiczak, der Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc in Wujek, verhaftet wurde, weiß noch niemand, dass das Kriegsrecht verhängt worden ist. Erst gegen sechs Uhr morgens strahlt das Betriebsradio die Rede des Machthabers, General Wojciech Jaruzelski, aus. Die Zeche wird, wie hunderte andere Betriebe, der Armee unterstellt, Solidarnosc wird verboten.
Die Arbeiter beschließen zu streiken. "Wir stellten unsere Forderungen: Die Freilassung von Jan Ludwiczak, keine Konsequenzen für die Streikenden, das Ende des Kriegsrechts und die Freilassung aller politischen Gefangenen", erinnert sich Stanislaw Platek, damals Vorsitzender des Streikkomitees. Die Firmenleitung warnt vor den Folgen. Einige Arbeiter verlassen die Zeche, andere bleiben.
Boguslaw Kopczak etwa will weiterkämpfen. "Meine Mutter fuhr jeden Tag vor das Werkstor, brachte Essen und versuchte meinen Vater zu überreden, nach Hause zu kommen. Aber er wollte nicht. Er sagte mehrmals: Einer für alle, alle für einen", erzählt seine Tochter Katarzyna im Gespräch mit der DW. Ihr Vater ändert seine Meinung auch dann nicht, als am 15. Dezember Schüsse in einer anderen Zeche fallen und vier Arbeiter verwundet werden.