Wenn Yoga zum Politikum wird
Süddeutsche Zeitung
Selten gehen Frauen in Kuwait für ihre Rechte auf die Straßen. Doch die Absage eines Yoga-Retreats in der Wüste erregt ihren Zorn. Dabei geht es um viel mehr als um Sport.
Wenn im Winter die Temperaturen in der Wüste der Arabischen Halbinsel erträglich sind, dann genießen die Menschen in der Region die Freizeitmöglichkeiten in der unendlichen Weite. Safari, Shisha und Barbecue am Lagerfeuer und morgens ein wenig Sport. Doch nicht so in Kuwait, vor allem nicht für Frauen. Ein abgesagtes Yoga-Retreat wurde in dem ölreichen Kleinstaat nun zum Politikum. Zuvor hatten konservative Stimmen die Regierung vor der "unanständigen" Meditation in der Wüste gewarnt. Vor allem der Abgeordnete Hamdan al-Azmi, der dem mächtigen beduinischen Awazim-Stamm angehört, rief die Regierung auf Twitter dazu auf, die "gefährliche Angelegenheit" und "diesen kulturellen Eingriff in unsere konservative Gesellschaft" zu verhindern.
Das Innenministerium reagierte mit einer Verschiebung und wand sich damit heraus, dass nötige Genehmigungen fehlen würden. Daraufhin protestierten Dutzende Frauen vor der Nationalversammlung in Kuwait, sie forderten die Behörden auf, ihre Bürgerrechte zu respektieren. Sie beriefen sich auf Paragraf 30 der kuwaitischen Verfassung, er sichert die persönliche Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger zu. Auf ihren Plakaten standen Slogans wie "Keine Zukunft für eine Nation ohne Gleichberechtigung, keine Freiheit in einer Nation ohne freie Frauen". Journalisten der kuwaitischen Tageszeitung al-Qabas sprachen mit einigen Protestierenden. "Sie wollen uns zu Hause einsperren. Das ist nicht Kuwait. Wir müssen dagegen aufstehen", sagt eine ältere Frau.
In Kuwait haben Bürger und Bürgerinnen mehr Mitspracherecht als in den anderen arabischen Ölmonarchien. Doch die Opposition versucht, die persönlichen Freiheiten, gerade von Frauen, zunehmend einzuschränken, um konservative Wählerstimmen großer beduinischer Stämme zu sichern. Die Regierung habe der Forderung der Opposition nachgegeben, um politische Rechnungen zu begleichen, sagt die kuwaitische Menschenrechtsaktivistin Hadeel Burqais der SZ. "Es geht nicht um Yoga, es geht darum, dass in Kuwait mit Frauenthemen Politik gemacht wird. Als wären wir ein Blatt in der Luft, nach dem die Abgeordneten jederzeit greifen können." In solchen Momenten still zu sein, könne gravierende Folgen haben, glaubt Burqais.
Tatsächlich haben Frauen in dem ölreichen Kleinstaat wenig zu sagen. Das mag auch an der derzeitigen Zusammensetzung des Parlaments liegen: Unter den 65 Abgeordneten ist keine einzige Frau. Obwohl im Jahr 2020 bei der Wahl 29 Frauen kandidierten, schaffte es keine ins Parlament. Erst seit 15 Jahren haben Frauen in Kuwait das Recht, zur Wahl gehen zu dürfen.
Der Abgeordnete Hamdan al-Azmi nannte das Yoga-Retreat "eine gefährliche Angelegenheit". Im Fernsehen sagte er, der Platz der Frauen sei ihr Zuhause.