Wenn die Gespenster anklopfen
Süddeutsche Zeitung
Auch wenn die Welt grad ziemlich gruselig ist, gegen gute Spukgeschichten ist nichts einzuwenden. In München und Umgebung lauern sie überall. Eine Auswahl.
In unsicheren Zeiten wie diesen haben nicht nur Verschwörungstheorien Konjunktur, auch die Beschwörung von Geistern, die Hinwendung zum Spiritistischen und Okkulten nimmt mitunter kuriose Züge an. Da wünscht man sich zuweilen doch etwas mehr rationale Durch- und Erleuchtung. Auf der anderen Seite, wenn die Gespenster anklopfen, sich Spuk und Grusel aus teils uralten Sagen und Legenden erheben, kann das auch übersinnlich viel Spaß machen. In und um München scheint die Atmosphäre voll von diesen Geschichten zu sein, etwa über die "Weiße Frau vom Ebersberger Forst", der das BR-Fernsehen jetzt eine neue Mini-Serie widmet. Die jenseitige Welt bietet auch schöne blasse Bräute auf, Herbergen mit kannibalischer Speisekarte, Vampire, Wölfe oder gar den Teufel. Wer sich traut, kann ihnen auch mit ganz heutigen Mitteln auf die Schliche kommen. Knoblauch ist dazu nicht nötig.
Ein tragischer Unfall, steckt er hinter der Spuklegende von der Weißen Frau nahe der Hubertuskapelle im Ebersberger Forst? Szene mit Monika Feldschmid aus der BR-Mystery-Serie "Ebersberg".
Genau dafür hat jemand Mediatheken erfunden. Hätte man sich vor einer Woche die Mystery-Serie "Ebersberg" im BR-Fernsehen zur Orginal-Erstausstrahlungszeit ansehen müssen, also in der Nacht auf Sonntag von 0.50 bis 3.30 Uhr, vorbei wär's gewesen mit dem Schlaf. Doch auch wer helllichten Tags die acht Minifolgen als Konserve in einem Rutsch wegguckt, kann eine ausgedehnte Geisterstunde erleben. Der Filmemacher Manuel Weiss arbeitet ziemlich geschickt. Wie bei jedem guten Horror beginnt alles eher harmlos, wiewohl es die buchstäblichen Zeichen an der Wand gibt: Bei Andreas (Florian Günther) hängt ein Poster aus dem Film "Shining" über dem Sofa. Der Mann betreibt "Parasight", einen dieser Youtube-Kanäle für Fans paranormaler Phänomene, und sieht mit seinen schwarzumrandeten Augen selbst aus wie ein depressives Gespenst. Zusammen mit seinem Freund Max (Christoph Stoiber) macht er sich nächtens auf zur Hubertuskapelle im Ebersberger Forst.
Das Kircherl gibt's dort wirklich, unweit der Staatsstraße. Mit der Kamera sind die beiden der "Weißen Frau" auf der Spur. Einer ruhelosen Seele, die unweit der Kapelle einst über den Haufen gefahren worden sein soll und seither, auf der Suche nach dem Unfallflüchtigen, Autofahrern auf dem Rücksitz erscheint und auch gelegentlich ins Lenkrad greift. Manuel Weiss zitiert sich in seiner Serie genüsslich durchs Horrorfilm-Genre, von William Friedkins "Exorzisten" bis zum "Blair Witch Project", und spielt mit der Legende, die im Ebersberger Raum und in der Spiritisten-Community wohl bekannt ist. Gehört die Weiße Frau doch zur Spuk-Kategorie der Phantom-Tramper, die offenbar weltweit und transkulturell umeinandergeistern. Im wunderbaren Radio-Dokufeature "Blutiger Herbst" etwa macht sich der Berliner Reporter Johannes Nichelmann auf den Weg in den Bayerwald, um dort hinter das Geheimnis einer "Schwarzen Frau" zu kommen. Filmer Weiss, der "Ebersberg" zunächst als reine Web-Serie konzipierte, lüftet am Ende seiner übersinnlich blutigen beiden Staffeln auch ein Geheimnis, und doch bleibt man schaudernd hoffend mit der Frage zurück: Wird es eine dritte Staffel geben?
"Ebersberg" von Manuel Weiss, Staffeln 1 und 2 der Mystery-Serie sind in der BR-Mediathek von 4. Februar bis 5. März 2022 abrufbar.