"Wenn alles wild wird - nichts anderes wollen wir"
Süddeutsche Zeitung
Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis interpretieren Tennis auf völlig neue Art: Sie geben sich laut, schrill, aufwiegelnd. Ihre Fans johlen - doch das Verhalten kommt nicht überall gut an.
Am Dienstag spielten die Australier Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis bei den Australian Open ein Doppel im Viertelfinale. Sie gewannen 7:5, 3:6, 6:3 und rückten im Draw vor. Was auf dem Turnierbogen nicht stehen wird: Wie Kyrgios den Schläger auf den Boden pfefferte. Wie er ein Kind mit einem Ball erst bei einem Wutschlag versehentlich abschoss und dem Jungen dann einen Schläger schenkte. Wie Kokkinakis die Schiedsrichterin anpöbelte. Wie er, mit rudernden Armen, die Fans aufwiegelte. Wie Kyrgios wie ein Irrwisch über den Platz rannte, als hätte er ein Fußballtor erzielt. Der Sender Channel 9 nannte die Aufführung, die im neuen Show-Court namens Kia Arena zu bestaunen war, "eine Revolution im Welttennis". Tim Pütz meinte: "Das hat mir nicht so gut gefallen, muss ich sagen." Er fand: "Es war schon wild da draußen." Pütz hatte mit dem Neuseeländer Michael Venus gegen Kyrgios und Kokkinakis gespielt. Der Arme.
Der Weltranglisten-Zweite Daniil Medwedew müht sich ins Viertelfinale gegen den unorthodox spielenden Maxime Cressy. In einer spektakulären Partie erreicht auch Stefanos Tsitsipas die Runde der letzten Acht. Von Gerald Kleffmann
Kyrgios ist zweifellos einer der begabtesten Akteure im Tennis, ihm kommt nur immer wieder seine komplexe Persönlichkeit dazwischen, sonst wäre er womöglich längst Grand-Slam-Sieger. Den eigentlich richtig netten Kokkinakis warfen tausend Verletzungen zurück. Bei diesen Australian Open haben sie sich aber zusammengetan, um im Doppel Großes zu erreichen. Der O-Ton von Kyrgios dazu: "I want to win this fucking thing." Das sagte er nicht in der Kabine. Er sagte das auf dem Platz, im Interview. Für diese Art wird er geliebt. Und Pütz kann das sogar verstehen.
Grundsätzlich begrüßt es der 34-jährige Frankfurter, im Doppel die Nummer 18 der Welt, wenn Tennis unterhaltsamer wäre. Und man "ein bisschen davon wegkommt, dass man sich überhaupt nicht bewegen darf zwischen den Punkten, dass man ganz still sein muss und so. Ich glaube, das ist nicht richtig zeitgemäß". Nur das Verhalten seiner Gegner sieht er kritisch: "Das ist eine sehr feine Linie, auf der man sich bewegt. Ich glaube, manchmal tritt er rechts daneben und links daneben." Mental habe er das Match als "anstrengend" erlebt. In der kesselartigen Arena mit Platz für 5000 Menschen wäre die Grundlautstärke permanent hoch gewesen. Generell hätten er und Venus aber nicht so gut gespielt. Er wollte die Niederlage nicht auf die Provokationen schieben.
Was veranstalten die denn? Tim Pütz (links) und sein neuseeländischer Doppelpartner Michael Venus staunen über ihre Gegner Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis.