Wendepunkt im Ukraine-Krieg: Offensive wird für Russland zum „Rückzugsgefecht“
Frankfurter Rundschau
Die Gegenoffensive im Ukraine-Krieg gewinnt weiter an die Dynamik. Auch ein Experte zeichnet in der aktuellen Lage ein düsteres Bild für Russland.
Kiew – Die Gegenoffensive im Ukraine-Krieg lief lange Zeit nicht so, wie es sich Fachleute, der Westen und die Ukraine selbst vorgestellt hatten. Erfolge waren rar, das Vorankommen schleppend und Russland schien sich so gut verschanzt zu haben, dass einige bereits daran zweifelten, ob der Verlust von Mensch und Material die Offensive gegen die Invasoren überhaupt rechtfertigen ließ.
Doch die jüngsten Erfolge der Offensive im Ukraine-Krieg zeigen, dass Geduld eine Tugend ist. Eine Tugend, um die Wolodymyr Selenskyj und seine militärischen Strategen lange gebeten hatten. „Die ukrainischen Streitkräfte bewegen sich vorwärts. Trotz allem und ungeachtet dessen, was alle sagen, kommen wir voran, und das ist das Wichtigste. Wir sind in Bewegung“, teilte der ukrainische Präsident über den Vormarsch auf die von Russland besetzten Gebiete bei Telegram mit.
Die ukrainischen Vorstöße bei Robotyne und in der Oblast Saporischschja geben Grund zum Optimismus in Kiew und sorgen nach Einschätzung internationaler Analysten für Nervosität in der russischen Armee und bei den Verantwortlichen im Kreml um Wladimir Putin.
Nach Ansicht des deutschen Militärökonomen Marcus Keupp habe die Ukraine einen bedeutenden Durchbruch durch die „erste Verteidigungslinie“ der russischen Armee an der Südfront erreicht. Das strategische Ziel der ukrainischen Streitkräfte sei es, die „Südfront zu spalten“ und so viel Druck auf Russlands Truppen auszuüben, dass diese nicht mehr ihre Logistik koordinieren könnten, so der Experte weiter im Interview bei ZDFheute live.
Es gehe dabei nicht um einen „hollywoodreifen Durchbruch“, wie oftmals kolportiert worden sei. „Diese Operationsführung erinnert eher an klassische Schlachten des Zweiten Weltkriegs“, sagt Keupp. Kiew wolle an einem bestimmten Punkt eine Lücke in die russische Verteidigung reißen, „die muss so fünf bis zehn Kilometer breit sein – und durch diese Lücke schieben sie dann das schwere Material, also ihre Reserven“.