Weicher Kern
Süddeutsche Zeitung
Aggression als Traumabewältigung: Die britische Punkband Idles bleibt energisch und verlässt gleichzeitig ihre Komfortzone.
Glastonbury Festival 2019: Das britische Punk-Quintett Idles, das erst zwei Jahre zuvor die aufrüttelnde Debüt-Platte "Brutalism" veröffentlicht hatte, performt gerade ihren energiegeladenen Pro-Multikulturalismus-Song "Danny Nedelko". Die beiden Gitarristen - einer davon trägt nur eine Unterhose - springen ab und zu ins Publikum, während die Bassgitarre dröhnt und der Drummer so auf den Punkt genau trommelt, als hätte man ihn programmiert. Und in der Mitte der Bühne steht Frontmann Joe Talbot, der seinen Blick fest auf die tobenden Zuschauer gerichtet hat. Immer wieder haut er sich selbst auf die Brust, hebt die Faust und stampft auf den Boden, so als würde vor ihm ein Tory-Mitglied liegen. Doch beim letzten Refrain lässt Talbot, der sichtlich überwältigt von der Resonanz zu diesem bedeutungsvollen Song ist, das aufgeheizte Publikum alleine grölen. Mit Tränen in den Augen schaut er fassungslos in die Menge, bis seine Ehefrau auf die Bühne kommt und ihn tröstet.