Was will Wissing?
Süddeutsche Zeitung
Das Umweltministerium will schärfere Abgas-Grenzwerte für Autos, der Verkehrsminister schweigt dazu beharrlich. Lange wird das nicht mehr gut gehen.
Volker Wissing gehörte schon als Generalsekretär der FDP nicht gerade zu den Lautsprechern seiner Partei. Aber immerhin war er präsent. Seit der 51-Jährige jedoch im Dezember das Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr übernommen hat, ätzen selbst Ampel-Verkehrspolitiker über einen "verschwundenen Minister". Die weitreichendste Entscheidung sei bislang noch gewesen, die Reihenfolge der Zuständigkeiten im Namen seines Ressorts zu tauschen, sagt einer. Wie der Jurist die Verkehrswende forcieren und mehr Klimaschutz im größten Problembereich schlechthin schaffen will? Dass er auf Elektroautos setzt, hat der Verkehrsminister im Bundestag erklärt. Darüber hinaus aber hat Deutschlands Verkehrspolitik noch keine klare Kontur.
Wissings Zurückhaltung folgt wohl dem Ziel der Ampel, möglichst geräuschlos und mit wenig Streit in diese Koalition zu starten. Lange aber geht das nicht mehr gut. Denn in den nächsten Wochen rückt ein Streitthema unweigerlich nach ganz oben auf die Agenda. Die Bundesregierung muss zum Treffen des EU-Rats Ende März eine gemeinsame Position zu dem Plan der EU-Kommission finden, die Abgasgrenzwerte für Autos deutlich zu verschärfen. Regierungskreisen zufolge nimmt hinter den Kulissen wegen der Revision der Grenzwerte ein Streit Fahrt auf, der wohl nur schwer zu stoppen ist.
Die EU hat die Ziele für den Verkehr bereits hochgesetzt. Nach einem Vorschlag der Kommission sollen die Autohersteller den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß ihrer Neuwagen bis 2030 um 55 Prozent senken. Dem Umweltministerium gehen die Pläne der EU allerdings noch nicht weit genug. Laut Insidern wünschen sich Fachleute des Ressorts eine Reduktion der Emissionen sogar um bis zu 75 Prozent bis 2030 und strengere Zwischenziele.
Das Verkehrsministerium - unter Vorgänger Andreas Scheuer noch klarer Bremser solcher Bestrebungen - lässt sich bislang noch nicht in die Karten schauen. Selbst Koalitionspartner rätseln darüber, was Wissing will. Auch er hatte sich für strenge Klimaziele ausgesprochen. Getrost ausschließen aber lässt sich, dass der Verkehrsminister derart scharfen Grenzwerten zustimmen würde.
Denn in der Regierung kristallisiert sich heraus, dass der neue Verkehrsminister Strenge beim Klimaschutz anders auslegt als Ministerinnen und Minister der Grünen. Denn während Wissings FDP darauf dringt, die auf Jahre und Sektoren per Gesetz trennscharf festgelegten Klimaziele so aufzuweichen, dass die Ziele über mehrere Jahre und Sektoren erreichbar wären, sind die Grünen strikt gegen eine solche Praxis. Der Verkehrsminister, heißt es aus den Reihen der Verkehrspolitiker, dürfe seine Verantwortung keinesfalls auf andere Sektoren abwälzen. Er müsse nun liefern, heißt es dort weiter.