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Was hält die Gesellschaft noch zusammen?
Frankfurter Rundschau
Skepsis herrscht vor, aber tatsächlich erfreuen sich moderne Gemeinschaften eines nicht nur wirtschaftlichen Wohlstands.
Bekanntlich ist die Philosophie aus dem Thaumazein, dem Staunen, geboren. Gemeint ist aber nicht das bewundernde Staunen über die Ordnung und Schönheit der Welt, sondern das skeptische Staunen: dass sich vieles anders als zu erwarten verhält. Dazu gehört in den Diagnosen unserer Gesellschaft die Vorliebe für die Überdramatisierung. Denn Sozialwissenschaftler ziehen die Frage vor, was die Gesellschaft auseinandertreibt, und das Publikum teilt diese Vorliebe.
In der Tat können unsere Gesellschaften über einen Mangel an Herausforderungen nicht klagen. Man denke an den Terrorismus, die Umweltkrise und den Klimawandel, an die Finanzkrise des Jahres 2008 und an die sogenannte Flüchtlingskrise, ferner an die von Covid-19 verursachte Virokratie und die schon seit längerem zunehmende Gewaltbereitschaft.
Trotzdem haben die freiheitlichen Demokratien des Westens, lehrt deren Wirklichkeit, immer noch einen Ausweg aus den Gefahren, und sei es einen Notausgang gefunden oder erfunden. Obwohl die Kräfte der Auflösung also enorm sind, überleben unsere Gesellschaften und erfreuen sich sogar in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, medizinischer und kultureller Hinsicht einer trotz berechtigter Feinkritik bewundernswerten Blüte.