Was der Abzug Frankreichs für den Westen Afrikas bedeutet
Frankfurter Rundschau
Noch vor dem französischen Abzug aus Mali springen autokratische Regimes in die Lücke. Eine Analyse.
Bamako – Nein, Frankreich habe in Mali „kein Afghanistan“ erlebt, beschwichtigt General Dominique Trinquand in Paris: Die 5000 Soldaten der Mission Barkhane seien nicht dem dschihadistischen Feind unterlegen wie die USA den Taliban; die Franzosen zögen vielmehr wegen der undemokratischen Junta in Bamako ab.
Eine Niederlage ist der angekündigte Abzug dennoch – nicht militärisch, sondern geopolitisch. Mali liegt strategisch zentral im Herzen Westafrikas. Der bettelarme Sahel- und Saharastaat galt bisher als Hort eines toleranten Islams. Jetzt gewinnen Islamisten an Einfluss. In Bamako tauchen Prediger aus dem arabischen Raum auf; Dschihadisten aus Algerien und Libyen wildern im Ostteil des weiten Landes.
Das ist nur ein Aspekt des Zeitenwechsels, der sich Westafrikas bemächtigt. Im einstigen Kolonialgebiet Frankreichs setzen sich heute die Russen fest. Es begann in der Zentralafrikanischen Republik, wo die Wagner-Privatarmee des Kreml den Präsidentenpalast sichert. Hier gingen einst die Franzosen ein und aus. Und wenn Russlands Staatschef Wladimir Putin einen Fuß im Türspalt hat, lässt er es meist nicht dabei bewenden. Der malischen Armee schenkte er zuerst zwei Hubschrauber. Es folgten Waffenverkäufe, dann die Wagner-Krieger.
Weniger sichtbar, aber vielleicht noch bedeutsamer war, wie die Russen die junge malische Bevölkerung auf ihre Seite zogen. Geschickt schürten sie antikoloniale, also antifranzösische Ressentiments – und pfropften in einem eigentlichen Propagandakrieg ihre Interessen darauf. Laut französischen Geheimdienstangaben werden heute mehrere Hundert afrikanische Webseiten mit Inhalten der moskautreuen Portale „Russia Today“ oder „Sputnik“ gefüttert.
Deren Aussagen fallen in Mali auf zunehmend fruchtbaren Boden: Die französischen Soldaten werden nicht mehr wie 2013 – als sie einen Gottesstaat in Timbuktu verhinderten – als Retter gesehen, sondern als Besatzer. Schlimmer noch, als Ausbeuter der malischen Bodenschätze. Moskau hat in Mali umso leichteres Spiel, als das Sahelland nach seiner Unabhängigkeit 1960 unter dem ersten, sozialistischen Präsidenten Modibo Keïta bereits einmal auf die Sowjetunion gesetzt hatte. Jetzt riecht es in Westafrika wieder nach Kaltem Krieg auf dem Rücken der Lokalbevölkerung. Die Besucherliste ausländischer Minister und Botschafter in Bamakos Regierungspalästen spricht für sich: Sie kommen aus Russland, China, Katar, dem Iran und der Türkei.