
Was bleibt ...
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Am letzten Tag des Jahres - denken Sie an Ihre Sünden oder Ihre Vorsätze? Und was soll man sich wünschen, wenn das neue Jahr so anfangen wird wie das alte endet? Die Magie ist ein bisschen raus, die Kolumnistin hat das Wünschen auf nächstes Silvester verschoben.
Letztes Jahr, Ende April 2020, habe ich in meiner Kolumne geschrieben, dass ich Corona-müde sei. Ganz süß im Nachhinein. Ich schrieb, dass ich nicht mehr mag. Ich dachte auf jeden Fall, dass nach gut eineinhalb Monaten at home Schluss sei mit dieser Covid-Plage. Jetzt, ein Jahr und acht Monate später, mit der Ahnung, dass es weitergehen wird mit Corona, Delta, Omikron und Co, und dem Wissen, dass wir nicht mehr ohne dieses Virus, sondern nur mit ihm und seinesgleichen existieren werden, bin ich noch müder. Ein Jahreswechsel steht unmittelbar vor der Tür, und dabei weiß doch jeder, dass das Wort "Wechsel" so was von fake ist, denn am 1.1. geht alles genauso weiter, wie es am 31.12. endet. Ich wünsche mir also, dass alles wieder so wird wie es mal war. Früher. Vor Corona. Also nicht ganz alles, aber das meiste, denn mein Leben gefiel mir. Es ist ja dennoch nicht alles schlecht, und wenn wir mal den ganzen Corona-Ablenkungskatalog beiseitelassen - Aufräumen, Yoga, Stricken, Sprache lernen oder Bootsführerschein machen, also all das, was Normalsterbliche auch sonst kaum hinbekommen, selbst, wenn sie vermeintlich Zeit haben - dann hat das Leben trotzdem neue Wertigkeiten bekommen.
Neulich traf ich eine Freundin im Restaurant, die sagte, ihretwegen könne jetzt ein Lockdown kommen, sie wäre k. o. und würde sich mal ausruhen müssen. Versteh' ich irgendwo. Aber das ist ein vollkommen falscher Ansatz. Wenn man k. o. ist, braucht man Ferien oder mehr Schlaf, und wenn man zu viel arbeitet, dann braucht man neue Strukturen im Job, mehr Geld, mehr Urlaubstage. Wenn man dem Burn-out nah ist, dann braucht man eine Pause von sich und dem Rest der Welt, und man (und natürlich auch frau!) sollte einen Psychiater oder eine Auszeit buchen. Man sollte wissen, dass die Kinder zur Schule gehen können und dort von kompetenten Lehrern unterrichtet werden, man sollte Freunde haben, die für einen einkaufen, wenn man in Quarantäne ist und man sollte sich auf keinen Fall einen Lockdown wünschen, bloß weil man es sich persönlich leisten kann. Viel Arbeit wird dann auf andere abgewälzt, die einfach ein paar Wochen später umkippen werden. So ein Lockdown macht es außerdem unmöglich zu planen. Man muss ja nicht zwingend schon im Juli wissen, was man zu Silvester macht, aber da alles verschoben wird, kann man bald eh nichts mehr verschieben, weil das einfach nicht mehr geht. Wohin denn? Leben kann man nicht verschieben!