Warum Zuckerberg wieder auf Videos setzt
Süddeutsche Zeitung
Die Nutzerzahl von Facebook ist erstmals gesunken, nun fordert Meta-Chef Mark Zuckerberg von seinen Mitarbeitern, sich auf Kurzvideos zu konzentrieren. Das klingt nicht visionär, könnte aber ein cleverer Schachzug sein.
Es ist gar nicht mal so lange her, drei Monate, um genau zu sein, da hat Mark Zuckerberg das nächste große Ding vorgestellt: das Metaverse. Und man hätte damals schon ahnen könne, dass da etwas komisch ist. Wie visionär ist einer, der als Avatar in der virtuellen Welt alles sein könnte - ein pangalaktischer Donnergurgler, der Patrizier von Ankh-Morpork oder eine siebenköpfige Schlange - aber für die neue Welt schlicht ein Bild von sich selbst aussucht, inklusive Frisur und Klamotten? Nun ist an Frisur und Klamotten von Zuckerberg nichts auszusetzen; es wirkte dennoch ein bisschen so, als wüssten sie bei Meta nicht, was sie genau mit dem Metaverse anstellen sollen.
Nun musste Zuckerberg sich vergangene Woche mit etwas sehr Konkretem beschäftigen: Am Donnerstag brach der Meta-Aktienkurs um 27 Prozent ein, der Börsenwert sank um 240 Milliarden Dollar - es war der größte Verlust für ein einzelnes Unternehmen in der Börsengeschichte. Der Grund: Zum ersten Mal in der Firmengeschichte sank die Nutzerzahl der Meta-Tochter Facebook. Hat die Firma ihren Zenit überschritten? Zumindest könnte er symbolisch für eine größere Entwicklung stehen. Daher erwarteten viele eine Reaktion von Zuckerberg. Die gab es, doch war sie wenig visionär. Die Botschaft an die Mitarbeiter lautete: Konzentration auf Videos.
Das sagte er in einem sogenannten "All Hands Virtual Meeting" auf Meta Platforms. Das bedeutet: Zahlreiche Mitarbeiter durften teilnehmen und die Chance, dass das, was dort gesagt wurde, nach außen drang, lag bei 100 Prozent. Heraus kam: Zuckerberg will, dass sich sein Unternehmen um sogenannte Reels kümmert. Das ist das Kurzvideo-Angebot, das dem Social-Media-Konkurrenten Tiktok so sehr ähnelt, dass viele Nutzer ihre Tiktok-Videos einfach in Reels kopieren. Außerdem: Hat Meta im Jahr 2016, als es noch Facebook hieß, nicht schon mal Kurzvideos als Zukunft angepriesen?
Im Jahr 2022 klingt das recht einfallslos und nach Vergangenheit, zumal die Strategie damals auch nicht recht aufgegangen ist. Seinerzeit hatte Facebook-Managerin Nicola Mendelsohn gesagt, Videos seien für die rasche Aufnahme von Informationen geeigneter als Text: "Müsste ich wetten, würde ich auf Video, Video, Video setzen." Das klang schlüssig damals, Video hatte ein paar Jahrzehnte davor auch den Radio-Star gekillt, nun sollten die Text-Einträge auf sozialen Medien dran sein. Kurze Videos waren damals sehr angesagt, allerdings stellte das Sechs-Sekunden-Video-Portal Vine, das mal mehr als 200 Millionen aktive Nutzer hatte, bereits im Januar 2017 den Betrieb ein.
Kurz-Videos sind zwar schon noch beliebt, wie der Erfolg von Tiktok (mehr als eine Milliarde aktive Nutzer) und Snapchat (319 Millionen, der Konzern Snap vermeldete mit 22,6 Millionen Dollar Gewinn kürzlich das erste profitable Quartal seiner Geschichte) zeigt - nur: Texte und Bilder sind seither nicht verschwunden, und das aus einem einfachen Grund: Videos erfordern eine höhere Aufmerksamkeit, Texte und Bilder lassen sich nebenbei konsumieren und sind deshalb beispielsweise beim Second-Screen-Viewing, also wenn man aufs Handy schaut, während gleichzeitig der Fernseher läuft, weiterhin überaus gefragt.