Warum Laborfleisch unsere Gier nicht stillt
ZDF
Fleisch aus dem Labor klingt nach Science-Fiction, aber auch nach Lösung vieler Probleme. Kann Technologie unsere Gier nach Tier befriedigen?
In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Es gibt viele gute Gründe, auf Fleisch zu verzichten: Es sterben Tiere dafür, man isst oft Antibiotika mit, für den Anbau fleischlicher Nahrung werden größere Flächen benötigt und es entstehen mehr Treibhausgase als bei vegetarischer Ernährung. Im Prinzip wissen wir das auch allle - leider gibt es auch mindestens einen guten Grund, Fleisch zu essen: Es schmeckt vielen gut.
Im Durchschnitt essen wir Deutschen knapp 60 Kilogramm Fleisch im Jahr: ungefähr ein Schnitzel am Tag, dabei ist der durchschnittliche jährliche Fleischkonsum in Deutschland in den letzten zehn Jahren bereits um knapp fünf Kilogramm zurückgegangen. Eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung spielen Fleischimitate auf Pflanzen- oder Pilzbasis, die immer überzeugender werden. Ganz wie Fleisch werden sie vermutlich nie schmecken, denn eine Pflanze ist nun mal kein Tier.
Wäre es nicht fantastisch, wenn man einfach Fleisch in der Petrischale züchten könnte? Genau hier setzt die Forschung zu In-Vitro-Fleisch an - Fleisch, das im Labor hergestellt wird. Die zugrundeliegende Technologie stammt aus der medizinischen Forschung: Menschliche Hautzellen beispielsweise können bereits seit Jahren außerhalb des Körpers vervielfältigt werden, um Hauttransplantate für Verbrennungsopfer herzustellen. Mit diesem Verfahren - abgewandelt - können auch tierische Muskel- und Fettzellen - also die Bestandteile von Fleisch - vermehrt werden.
Dafür werden zunächst Muskelzellen von dem Tier benötigt, dessen Fleisch nachgebaut werden soll. Bereits an dieser Stelle der erste Wermutstropfen: Ganz ohne ein Tier geht es nicht. Es ist allerdings möglich, mit einer Biopsie Zellen aus einem lebenden Tier zu entnehmen, sterben muss also keines.
Diesen Zellen wird eine Nährlösung zugegeben, die alles enthält, was für Wachstum und Vermehrung nötig ist: Zucker, Fette, Proteine, Sauerstoff, Wachstumshormone, … Hauptbestandteil der Nährlösung ist derzeit fetales Kälberserum, welches aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird. Sowohl das Kalb als auch die trächtige Kuh müssen dafür sterben - Wermutstropfen Nummer zwei. Aus ethischen wie auch aus finanziellen Gründen muss hier also eine Alternative her. Nährlösungen auf pflanzlicher Basis sind daher ein wesentliches Forschungsfeld.
Ein großes Problem ist aktuell noch die Konsistenz. Mithilfe der Nährlösung vermehren sich die Zellen fleißig im Bioreaktor, nur leider entsteht dabei bisher noch kein zusammenhängendes, festes Gewebe, sondern eher eine Matschepampe. Ein Ansatz ist hier, die Zellen an ein Trägergerüst anwachsen zu lassen, ein anderer, die Muskelzellen per 3D-Druck zusammenzufügen. Beide Methoden stecken noch in den Kinderschuhen.