Warum Gerhard Richters Schlüsselwerk unter den Hammer kommt
Die Welt
„192 Farben“ war das Vorbild für Gerhard Richters Domfenster in Köln. Das berühmte Gemälde hing Jahrzehnte in der Hamburger Kunsthalle. Doch die Erben des verstorbenen Leihgebers machen es jetzt zu Geld.
Auch zwei Jahrzehnte Treue ist noch kein Bund fürs Leben. Seit 1997 hängt Gerhard Richters monumentales Bild „192 Farben“ als Leihgabe des Sammlerehepaars Gerhard und Elisabeth Sohst in der Hamburger Kunsthalle – wie eingewachsen in deren respektable Konzeptkunst-Bestände. Jetzt wird das monumentale Bild in London bei Sotheby’s versteigert. Und weil es aus dem Atelier des teuersten deutschen Künstlers stammt und eine Zentralstelle im wandlungstüchtigen Werk besetzt, wird ein Käufer auf die geschätzten 15 bis 21 Millionen Euro getrost noch ein paar Millionen drauflegen müssen.
Dafür hat man dann auf 200 mal 150 Zentimeter Bildfläche knapp 200 gemalte Farbquadrate, die alle mit weißen Gitterlinien voneinander getrennt sind. Ein System der Farbverteilung wird man nicht feststellen können und das bunte Ganze dem schönen Zufall zuzuschreiben, wäre auch nicht korrekt. Der Maler hat zwar alles vermieden, was an die ästhetische Ordnung des Farbspektrums erinnern könnte, aber er hat nicht blind gemalt. Natürlich führen emotionale Impulse mit Regie, und auch die Anlehnung an Musterkarten aus Malerfachgeschäften lässt alles andere als Chaos entstehen.