
Warum ein Stipendiat der Humboldt-Stiftung heute zu Chinas Militärkommission gehört
DW
Das deutsche Humboldt-Stipendium ist unter Chinas Wissenschaftlern beliebt. Ein Ex-Stipendiat ist heute Mitglied der Zentralen Militärkommission. Kein Einzelfall, wie eine DW-Investigation zeigt.
Das hier ist kein Spionagethriller. Deshalb verzichten wir bewusst auf die Nennung der Namen von Personen. Das hier ist eine Geschichte über die moralische Grauzone der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China.
Die Frau ist Physikerin. Spezialgebiet theoretische Teilchenphysik. Nach ihrer Promotion in China zieht es sie nach Europa. Zunächst forscht sie zwei Jahre an einem renommierten Institut für Nuklearphysik in Italien. Die nächsten drei Jahre verbringt sie dann an zwei deutschen Universitäten in Hamburg und Mainz. Die wissenschaftliche Kooperation mit China ist in Deutschland politisch gewollt. Nach Meinung der Bundesregierung "kommt (ihr) für langfristig stabile bilaterale Beziehungen eine besondere Bedeutung zu". Doch was, wenn die Forschung China bei der Aufrüstung hilft?
Heute arbeitet die Physikerin für Chinas Atomwaffen-Schmiede. Ein Wissenschaftler, der in Deutschland mit ihr und anderen chinesischen Kollegen zusammengearbeitet hat, erinnert sich: "Sie waren stark fokussiert auf das technische Arbeiten. Wenig visionär meistens, aber technisch sehr durchdacht. Und alle mit viel Schwung." Über Politik habe man nie diskutiert, sondern gemeinsam Grundlagenforschung betrieben, deren praktischer Nutzen nicht immer gleich erkennbar sei. "Den Grundlagenanteil braucht man für viele Dinge. Und dann ist es immer die Frage, welchen Nutzen man sich später auswählt."
Der Forscher hat auch selbst chinesische Universitäten besucht. Das Niveau der Wissenschaftler dort sei in den letzten zwei Jahrzehnten rasant gestiegen. "Ich weiß nicht genau, welche Ziele sich China konkret gesteckt hat, aber Grundlagenforschung wird als strategisch sehr wichtig gesehen. Das sieht man überall."
Auch an der China Academy of Engineering Physics (CAEP), an der die Physikerin jetzt arbeitet, wird sehr viel Grundlagenforschung betrieben. Doch vor allem ist diese Akademie der einzige Ort, an dem China seine Nuklearsprengköpfe weiterentwickelt. Der australische China-Experte Alex Joske, der zum Technologietransfer forscht, hält die CAEP für eine "der beängstigendsten und besorgniserregendsten Einheiten in Chinas Forschungssystem".