Warum die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte entlassen wurde
DW
Der Ombudsfrau Ljudmyla Denisowa wird vorgehalten, sich nicht genug um die humanitäre Arbeit während des Krieges gekümmert zu haben. Menschenrechtler kritisieren den Vorgang und fordern nun einen offenen Wettbewerb.
Die Entlassung der Menschenrechtsbeauftragten Ljudmyla Denisowa durch das ukrainische Parlament kam für viele Beobachter völlig überraschend. Das Misstrauensvotum gegen sie unterstützte am 31. Mai eine Mehrheit aus Abgeordneten verschiedener Fraktionen, darunter die regierenden "Diener des Volkes" von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Nur die oppositionellen Parteien "Vaterland" von Julia Tymoschenko und "Europäische Solidarität" des Ex-Präsidenten Petro Poroschenko waren dagegen.
Nach ukrainischem Recht hatte Denisowa weitreichende Befugnisse beim Schutz der Bürgerrechte und beim Austausch von Gefangenen. Ihre Amtszeit wäre eigentlich erst im kommenden Jahr ausgelaufen, und eine vorzeitige Entlassung ist von der Verfassung und den Gesetzen gar nicht vorgesehen. Doch die Parlamentarier griffen erstmals zu einem Sonderverfahren, demzufolge sie unter Kriegsrecht alle ihre bisherigen Ernennungen widerrufen dürfen.
Dem stellvertretenden Vorsitzenden des parlamentarischen Geschäftsordnungsausschusses Pawlo Frolow zufolge war Denisowa ihren Pflichten nicht nachgekommen, darunter in den Bereichen der humanitären Korridore in den Kampfzonen, der Verschleppung von Zivilisten aus den besetzten Gebieten sowie des Schutzes und Austausches von Gefangenen. Um all dies habe sich in Wirklichkeit Vizepremier Iryna Wereschtschuk gekümmert, deren Ministerium für die besetzten Gebiete zuständig ist. Es habe die meisten humanitären Aufgaben im Krieg übernommen, heißt es seitens der "Diener des Volkes".
Darüber hinaus stellte Frolow fest, dass Denisowa ihre Medienarbeit unnötig auf zahlreiche Details von "auf unnatürliche Weise begangenen Sexualverbrechen" und Vergewaltigungen von Kindern in den besetzten Gebieten konzentriert habe. Diese seien nicht durch Beweise gestützt worden, was der Ukraine nur geschadet und die Aufmerksamkeit der Medien von den realen Problemen abgelenkt habe.
Der Abgeordnete warf Denisowa außerdem vor, nach Beginn der russischen Invasion am 24. Februar viel Zeit im Ausland verbracht zu haben, "aber nicht in Russland oder Belarus, wo sie sich für Gefangene oder für die leidenden Menschen im besetzten Cherson hätte einsetzen können". Sie habe sich im "warmen, ruhigen Westeuropa" aufgehalten, so Frolow. Er hält Denisowa ferner eine "nicht nachvollziehbare Konzentration auf die Medienarbeit" vor. Dabei sei sie zu sehr in Details von Vergewaltigung durch russische Soldaten gegangen.