
Warteschleifen und Kafka
Frankfurter Rundschau
Es zersetzt auf Dauer das Vertrauen, sich von freundlichen Leuten erzählen lassen zu müssen, dass irgendetwas leider nicht funktioniert.
Nicht mal mehr der Fußballverband kann es. Eine der wirkmächtigsten Organisationen hat sich im Dezember zum Gespött gemacht, weil die Auslosung für die Champions League nicht reibungslos funktionierte. Wer schuld war? Natürlich irgendein Dienstleister oder dessen Software. Die war vermutlich auch wieder eingekauft und nicht selbst entwickelt.
Fehler macht heute niemand mehr selbst. Und wer sich irgendwo beschweren will, hat auch nur die Beauftragten der Beauftragten am Telefon. Standardsatz aus dem Callcenter, Dienstleister über Dienstleister: Ich kann Ihnen leider auch nicht mehr sagen, dafür ist XY verantwortlich. Weiterverbinden dorthin mehr oder weniger möglich.
In so einer Welt der durchorganisierten Nichtverantwortlichkeit ist jede Aufspaltung eines Unternehmens oder auch nur einer Zuständigkeit ein weiterer Schritt ins Kafkaeske. Franz Kafka, das war vor einem Jahrhundert ein Schriftsteller von genialer Beobachtungsgabe hinsichtlich der krank machenden Ausweglosigkeit verschachtelter Zuständigkeitsgeflechte.
Das Wort Outsourcen gab es damals noch nicht. Es waren noch analoge Labyrinthe, in denen Ratsuchende sich verloren. Was sich aber nicht geändert hat: Eines der größten Geheimnisse ist, wer genau entscheidungszuständig wäre.
Die Gespräche mit den Callcentern laufen nur so lange verträglich, wie man nicht weiterverwiesen wird, nochmal neu in der telefonischen Warteschleife hängt oder zum wiederholten Mal an jemanden verbunden wird, der sich genau diese Weiterverbindung dann auch nicht so recht erklären kann.