Wahl in Ungarn: Ja oder Nein zu Orban
DW
Erstmals seit zwölf Jahren steht Ungarns Premier Viktor Orban vor einem möglichen Machtverlust. Die Parlamentswahl in Ungarn ist auch ein Votum darüber, ob sein illiberales Modell in der EU weiter einen Platz haben kann.
Noch vor wenigen Jahren hatte ein provokativer Satz des ungarischen Premiers Viktor Orban das Potential, europaweit für Aufsehen zu sorgen - etwa, als er sein Konzept eines "illiberalen Staates" verkündete. Groß war die Angst, dass sein rechtskonservativ-nationalistischer Autoritarismus Schule machen und die Europäische Union immer weiter aushöhlen könnte.
Inzwischen mag sich kaum noch jemand in der EU ernsthaft mit Orban auseinandersetzen. Seine außenpolitische Bedeutung besteht fast nur noch in Veto-Befugnissen, die er in Brüssel oft in destruktiver Weise einsetzt. Die Europäische Volkspartei (EVP) warf die Orban-Partei Fidesz (Bund Junger Demokraten) 2021 praktisch hinaus, seitdem sind Ungarns Premier und seine Partei erfolglos auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat in Europa. Mit seinem Ost-West-Schlingerkurs und seiner Putin-freundlichen Haltung hat Orban sich isoliert.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stieß er mit seiner unkritischen Linie gegenüber Moskau sogar bisherige Verbündete, etwa in Polen und Slowenien, vor den Kopf - so sehr, dass er ein für Mittwoch (30.03.2022) geplantes Gipfeltreffen der Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn in Budapest absagen musste, weil niemand kommen wollte.
Ganz im Gegensatz dazu steht Orbans einheimische Übermächtigkeit. Ungarns Premier kontrolliert nach mehr als einem Jahrzehnt an der Macht die gesamte Staatsverwaltung des Landes, den öffentlichen Dienst, den größten Teil der Justiz und der Medien und sogar weite Teile der Privatwirtschaft. Oft zählt bei Entscheidungen das Wort des "Chefs", wie der Premier in seiner eigenen Partei heißt. "Führerdemokratie" hat der österreichisch-ungarische Publizist Paul Lendvai das Orban-Modell genannt.
Diese "Führerdemokratie" und das Modell Orban stehen nun erstmals seit zwölf Jahren zur Disposition. Am Sonntag (3.04.2022) findet in Ungarn die Parlamentswahl statt - und dabei geht es eigentlich nur um eines: Ein Ja oder Nein zu Orban und seinem System. Es ist die erste Wahl seit 2010, die Ungarns Premier verlieren könnte. Im Land hat sich eine gewisse Orban-Müdigkeit breit gemacht, vor allem wegen des Klientelismus und der verbreiteten Korruption. Zudem tritt die im vergangenen Jahrzehnt zersplitterte Opposition erstmals gemeinsam an - und hat durchaus Chancen auf einen Wahlsieg.