Wahl in Südkorea: Mehr Markt oder mehr Staat
Frankfurter Rundschau
Bei der Präsidentenwahl in Südkorea konkurrieren unterschiedliche politische Konzepte.
Seoul - „Die Kandidaten für die Wahl in diesem Jahr“, betonte die Tageszeitung „Hankyoreh“ dieser Tage, „sind als die unbeliebtesten der Geschichte beschrieben worden. Und das ist wahr.“ Schließlich schneiden die zwei aussichtsreichsten Anwärter auf den Präsidentschaftsposten, der linksliberale Lee Jae-myung und der rechtskonservative Yoon Suk-yeol, in Beliebtheitsumfragen jeweils eher schlecht ab. Die Politikprofessorin Kim Hyung-A von der Australian National University hat die Wahl am 9. März schon als Entscheidung „für das geringere Übel“ bezeichnet.
Der Wahlkampf läuft so schmutzig ab wie nie zuvor. Mehrmals haben sich die beiden führenden Kandidaten gegenseitig Korruption, persönliche Verfehlungen und Unehrlichkeit vorgeworfen. Yoon Suk-yeol verlor daher um den Jahreswechsel sein komplettes Wahlkampfteam. Seine Frau hat zudem ihren Lebenslauf gefälscht. Im Umfeld Lee Jae-myungs gibt es unter anderem Vorwürfe der Veruntreuung. So sehen viele Beobachter:innen im aktuellen Wahlkampf vor allem eine Schlammschlacht.
Dabei entscheiden die Südkoreaner:innen vor allem über politische Inhalte. Denn Lee und Yoon vertreten völlig unterschiedliche Weltanschauungen: Auf der einen Seite wird für stärkere staatliche Eingriffe geworben, um die über die letzten Jahre gewachsene Ungleichheit abzufedern. Auf der anderen Seite steht die Idee der Eigenverantwortung, der stärkeren Belohnung für Risiko und Erfolg.
Der schlankere Staat wird von Yoon Suk-yeol verkörpert. Der Mann aus einer wohlhabenden Familie hat zuletzt als Generalstaatsanwalt gearbeitet, gibt sich als Kandidat des Establishments, wenngleich er auch für Wandel stehen will. Yoon gehört der konservativen und derzeit oppositionellen „People’s Power Party“ an. Der scheidende Präsidenten Moon Jae-in von der linksliberalen Demokratischen Partei darf laut Verfassung nach einer fünfjährigen Amtszeit nicht erneut antreten.
Moon hatte vor fünf Jahren mit einer stärkeren Kontrolle der im Land mächtigen Großkonzerne um Samsung, Hyundai und LG sowie höheren Mindestlöhnen geworben. Beide Versprechen blieben weitgehend unerfüllt. Yoon interessiert sich für solche Vorhaben nicht, er wirbt mit neoliberalen Konzepten unter anderem in Form der Abschaffung der Kapitalertragssteuer, die er als unnötige Belastung von Steuerzahlern sieht.