
Vivien Goldman: „Rache der She-Punks“ - eine feministische Pop-Geschichte
Frankfurter Rundschau
Haltung, Empörung, Gemeinschaft: Vivien Goldmans „Die Rache der She-Punks“ beweist vor allem eins: Frauen sind kein Gimmick.
Frankfurt – Ari Up, die Sängerin von The Slits, hat davon gesungen, dass sie auf die Erde gesetzt worden sei, um gehört, und nicht, um gemocht zu werden. Diese Worte bringen auf den Punkt, worum es hier geht. „Unabhängig und kämpferisch bis zum Knochenmark“, schreibt Vivien Goldman an einer Stelle ihres Buches „Die Rache der She-Punks – Eine feministische Popgeschichte von Poly Styrene bis Pussy Riot“, „das war die Einstellung der She-Punks in Großbritannien, parallel zur rauflustigen Haltung der Jungs“.
Im Punk und im Post-Punk von Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre seien erstmals in der Popgeschichte verstärkt Frauen in Erscheinung getreten, nicht nur als „Frontfrauen“, sondern auch als Instrumentalistinnen. Seitens der Musikerkollegen wie auch der Techniker habe es reichlich Ressentiments gegeben, nach dem Muster: „Frauen können nicht Gitarre spielen“. Und es habe Männer gegeben, die „Mädchen“ – der hervorragende Übersetzer Vojin Saša Vukadinovic übernimmt zum Teil das von Goldman verwendete Wort Girls, dann wieder wählt er die deutsche Entsprechung – beim Pogotanzen geschlagen und getreten oder begrapscht haben.
Von Frauen in der Musik, sagt Phanie Diaz, die Schlagzeugerin der Chicana-Punk-Band Fea aus dem texanischen San Antonio, werde ein „Look“ erwartet, als wären sie ein Gimmick. Als queere und dicke lateinamerikanische Frau habe sie das Gefühl gehabt, die Welt sei gegen sie – beunruhigt habe sie das nicht.
Es geht in diesem episodisch aufgebauten und sich gleichwohl durch einen guten durchlaufenden Flow auszeichnenden Buch nicht in erster Linie darum, Musik zu kartieren; die stilgeschichtliche Analyse spielt, soweit überhaupt, eine eher beiläufige Rolle. Vor allem erzählt Goldman von Haltung und von einem Geist, der nach der Bildung einer Gemeinschaft trachtet. Die Autorin hat Gespräche mit vielen Protagonistinnen geführt; spürbar nicht ungern lässt sie anklingen, dass sie auch selbst eine war, unter anderem als eine der Sängerinnen der experimentellen britischen New-Wave-Band The Flying Lizards sowie mit der Solonummer „Launderette“ (1981), aus der später der Rapper und Produzent Madlib ein Sample für seine Nummer „Filthy (Untouched)“ gezogen hat; Goldman hat als Musikjournalistin und Produzentin gearbeitet, heute lehrt sie als Professorin für Punk, Afrobeat und Reggae in New York.
Ernstliche Vorbilder habe es keine gegeben, sagt Viv Albertine von The Slits. Wie Joni Mitchell habe sie nicht aussehen und auch nicht sein wollen. „Ich konnte eine Gitarre in die Hand nehmen und einfach spielen.“ Die Epizentren waren vor allem London und New York, doch Goldmans Blick ist universell ausgerichtet. Sie handelt von stilbildenden Größen wie Patti Smith und Bikini Kill sowie Sleater-Kinney und den schwarzen Funk-Punks ESG, zugleich auch von Musikerinnen aus Ländern wie Indonesien, Japan und Kolumbien.