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Vijay Iyer „Uneasy“: Elf letzte Atemzüge
Frankfurter Rundschau
Vijay Iyer, sein aktuelles Klaviertrio und das Album „Uneasy“, das auch den von der Polizei erstickten Eric Garner würdigt.
Die Kinder von Flint wurden vergiftet. Flint? Ist mit etwa 94 000 Einwohnern die achtgrößte Stadt im US-Bundesstaat Michigan, 60 Meilen nordwestlich von Detroit. Seit General Motors die Stadt verließ, lebt hier mehr als ein Viertel der Bewohner unterhalb der Armutsgrenze, und 40 Prozent der Immobilien stehen inzwischen leer. Trostloser geht es kaum. Aber dann wurde 2014 die Wasserversorgung aus Kostengründen umgestellt, das Trink- und Brauchwasser wurde fortan aus dem von der Autoindustrie vergifteten Flint River geholt, was zur Flint Water Crisis führte: Bis zu 12 000 Kinder hatten Blei im Blut, Menschen starben an Legionellose, die Fehlgeburten in der Stadt nahmen ein alarmierendes Ausmaß an. Es gäbe noch andere Geschichten aus den Vereinigten Staaten dieser Jahre zu erzählen, und Donald Trump müsste darin nicht einmal vorkommen. Auch ohne ihn fände man genügend Gründe, warum Vijay Iyer sein aktuelles Album „Uneasy“, unbehaglich, genannt hat und mit der Komposition „Children of Flint“ eröffnet. Vijay Iyer, Amerikaner indischer Herkunft, hat Mathematik und Physik in Yale studiert, lehrt in Harvard und ist vielfach ausgezeichneter Pianist. Die Musik, die er spielt, nennt er nicht Jazz. John Coltrane, sagt Iyer, habe 1966 in einem Interview auf die Frage, wie er den Jazz der Gegenwart sehe, geantwortet: „Jazz ist ein Wort, das benutzt wird, um unsere Musik zu verkaufen. Für mich existiert dieses Wort nicht“. Iyer bevorzugt den Terminus „creative music“.More Related News