Vietnams Wirtschaft profitiert von Chinas Pandemiepolitik
DW
Anders als China hat Vietnam die Pandemie weitgehend hinter sich gebracht. Nun will es an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen. Die kurzfristigen Aussichten sind gut. Aber wie gut steht das Land mittelfristig da?
Vietnam war eines der wenigen Länder weltweit, dessen Wirtschaft im Pandemiejahr 2020 gewachsen ist. Entscheidend dafür war ein frühzeitiges und rigoroses Handeln der Regierung und eine lange Zeit erfolgreiche Null-Covid-Strategie. Im Sommer 2021 – bevor die Omikron-Variante die Regeln der Pandemie veränderte – geriet die Situation aber zusehends außer Kontrolle. Die Infektionszahlen stiegen, Fabriken von Elektronikkonzernen wie Samsung und Apple oder Textilfabriken von Nike und Zara mussten wochenlang schließen. Arbeiter kehrten unter chaotischen Bedingungen in ihre Heimatdörfer zurück. Das Wirtschaftswachstum ging nach Angaben der Weltbank auf 2,58 Prozent zurück.
Vietnam änderte schließlich seine Strategie und trieb die Impfkampagne voran, die zuvor vernachlässigt worden war. Hanoi ging pragmatisch vor und nutzte im Unterschied zu China auch westliche Impfstoffe. Daniel Müller vom Ostasiatischen Verein (OAV) in Hamburg, dem Netzwerk der deutschen Asienwirtschaft, sagt dazu im Gespräch mit der DW: "Vietnam hat relativ schnell die Kurve bekommen, und das zeigt die Adaptionsfähigkeit des vietnamesischen Systems."
Inzwischen sind fast alle Coronamaßnahmen aufgehoben. Das Risiko von weiteren Lockdowns ist nach Ansicht von Dang Duc Anh, dem Direktor des Nationalen Instituts für Hygiene und Epidemiologie in Vietnam, gering, wie er gegenüber Reuters äußerte. Die Asiatische Entwicklungsbank prognostiziert für 2022 ein Wachstum von 6,5 Prozent und für 2023 eines von 6,7 Prozent.
Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Vietnam von der Kurskorrektur in der Pandemiepolitik profitiert. Viele Unternehmen insbesondere aus der Elektronikindustrie nehmen viel Geld in die Hand. Der südkoreanische Konzern Samsung hat im Februar dieses Jahres angekündigt, weitere 920 Millionen US-Dollar in den Standort Vietnam zu investieren.
Auch der Trend der Verlegung der Produktion von China nach Vietnam setzt sich weiter fort. Chinesische Elektronikkonzerne wie Luxshare Precision Industry, Goertek und Pegatron gehen nach Vietnam, wie das Fachmagazin "Elektronik Praxis" berichtete. Raphael Mok von der Unternehmensberatung Fitch Solutions sagte gegenüber Reuters: "Vietnam wird einer der Hauptprofiteure der sich verlagernden Lieferketten sein." Müller vom OAV ergänzt mit Blick auf Deutschland: "Vietnam war immer im Blickpunkt der deutschen Firmen. Der eigentliche Run hat noch nicht eingesetzt, aber das könnte sich jetzt ändern, weil die Unzufriedenheit der Unternehmen in China jetzt ein Ausmaß angenommen hat, das es vorher nicht gab." China zieht mit seiner Null-Covid-Politik und wochenlangen Lockdowns bei niedrigen Inzidenzen vor allem in der Wirtschaftmetropole Shanghai zunehmend Kritik auf sich.