Viele Versuche, die Impfpflicht zu untergraben
Süddeutsche Zeitung
Im Dezember wurde beschlossen, dass sich Beschäftigte in Kliniken und Heimen gegen Corona impfen lassen müssen. Seitdem wurden die Kritiker immer lauter. Dass Bayern das Vorhaben nun aussetzt, ist nur der vorläufige Höhepunkt einer längeren Entwicklung.
Deutschland tut sich schwer mit dem Thema Corona-Impfpflicht. Eine allgemeine soll es irgendwann geben, das Vorhaben kommt im Bundestag aber nicht recht voran. Beschlossen ist bisher lediglich eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht für das Gesundheitswesen und die Pflege. Doch selbst ob die kommt, erscheint nun als fraglich. Als erstes Bundesland hat Bayern am Dienstag angekündigt, sie vorerst nicht umzusetzen; die CDU fordert dasselbe. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Versuchen, das Vorhaben noch zu Fall zu bringen. Ein Rückblick.
Andere Länder wie beispielsweise Frankreich haben sie bereits seit Monaten, nun kommt die Teil-Impfpflicht für bestimmte Berufe auch in Deutschland. Genauer gesagt: Damit sich Ungeimpfte noch ihre Spritzen holen können, kommt sie am 15. März 2022. Wer in einer Klinik oder Arztpraxis, einem Pflegeheim oder Geburtshaus, für einen Rettungs- oder Pflegedienst arbeitet, muss von da an nachweisen, dass er gegen das Coronavirus geimpft oder von Covid-19 genesen ist. Die politische Zustimmung ist breit: Im Bundestag stimmen 571 Abgeordnete für den Gesetzentwurf der neuen Ampelkoalition, 80 dagegen, 38 enthalten sich. Der Bundesrat, in dem die Regierungen der 16 Länder sitzen, stimmt in seiner Sondersitzung sogar einstimmig zu.
Gleichwohl ist in den Wochen zuvor Kritik an dem Vorhaben laut geworden: zum einen die generelle Frage, ob es zulässig ist, Menschen eine bestimmte Impfung vorzuschreiben. Zum zweiten die Sorge, dass Beschäftigte in der Folge kündigen könnten, was den großen Mangel an medizinischem Fach- und Pflegepersonal weiter verschärfen könnte. Und schließlich ist nicht so ganz klar, was passiert, wenn sich ein Pfleger weigert, sich impfen zu lassen: Wird er dann abgemahnt, muss ihm gekündigt werden? Das Gesetz bleibt hier vage: Die örtlichen Gesundheitsämter sollen solchen Menschen Tätigkeitsverbote auferlegen können; sie sollen in Zweifelsfällen auch ermitteln, ob jemand wirklich gegen Corona geimpft ist oder nicht. Diese Regelungen werden in den kommenden Wochen noch wichtig werden.
In Bayern fällt die längst beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die handstreichartige Entscheidung folgt allein politischem Kalkül. So aber funktioniert Seuchenschutz nicht. Kommentar von Werner Bartens
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat schon vor Längerem für Februar eine allgemeine Impfpflicht in Aussicht gestellt - also eigentlich noch bevor die einrichtungsbezogene in Kraft tritt. Und wegen dieser allgemeinen beginnt es nun in seiner Koalition zu rumoren. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP zum Beispiel opponiert dagegen und findet Mitstreiter. Manche von ihnen argumentieren, die Impfpflicht für Ärztinnen und Pfleger sei zwar richtig gewesen, die allgemeine Pflicht schieße aber über das Ziel hinaus. Beide Debatten lassen sich kaum voneinander trennen.