Verschwörungsmythen und Aluhüte - Ein Aussteiger packt aus
Frankfurter Rundschau
Gerald glaubt: Die Erde ist hohl. Die Raumstation ISS ist gar nicht echt. Doch dann wirkt ein Gegenmittel.
Frankfurt – Die Botschaft steht in weißen Buchstaben auf einem schwarzen Transparent und hängt am Gartenzaun der Nachbarn: „5G tötet! Schützt unsere Kinder!“ Nein, sagt Gerald und blickt vom Wohnzimmertisch durch das Fenster zum Nachbargrundstück hinüber. Er habe noch keine Gelegenheit gehabt, die Leute von nebenan kennenzulernen. Das Plakat habe ihn abgeschreckt. Ein wenig ärgern wollte er sie trotzdem und hat sein WLAN „5G Heilfrequenz“ getauft. Vielleicht wäre ein kurzer Austausch ja doch interessant, sagt er, aber vermutlich bringe es wenig. Bei ihm sei es ja früher nicht viel anders gewesen. Und man sei ja nicht für jeden Menschen auf der Welt verantwortlich.
Gerald wirkt routiniert, während er spricht. Die langen Haare sind zum Pferdeschwanz zusammengebunden, die dunklen Augen hinter der Brille blinzeln nur selten. Um ihn herum herrscht reges Chaos. Der gesamte Wohnzimmerboden ist mit Kinderspielzeug übersät. Das Baby, gerade 14 Monate alt, schläft friedlich, das Babyphon bleibt an diesem Abend stumm.
Es ist nicht das erste Mal, dass Leute von der Presse an seinem Tisch sitzen. Gerald will seine Geschichte erzählen, hofft, etwas wiedergutzumachen. Denn Gerald war ein Anhänger von Verschwörungstheorien.
Irgendwann, da glaubte er alles. Die Erde würde schrumpfen, sei hohl. Und mit Wasserstoff gefüllt. Auch vermutete er eine geheime Weltregierung, die die Geschicke der Menschheit lenke. Alle Politiker, alle Unternehmensvorstände – nur Marionetten der Mächtigen. Die ganze Welt sah Gerald als ein riesiges Problem, bis er sich fragte, ob er nicht vielleicht selbst das Problem war. „Ich habe gedacht, ich wäre superschlau, aber letztendlich war ich einfach nur sehr dumm“, sagt Gerald heute .
Mit solchen Ansichten ist er nicht alleine. Eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2020 ergab, dass etwa ein Drittel der Deutschen sich offen zeige für Verschwörungsmythen. Die Aussage „Es gibt geheime Mächte, die die Welt steuern“ fanden elf Prozent der Befragten richtig, 19 Prozent hielten sie für wahrscheinlich richtig.