
Ute Lemper in Wiesbaden: Hotline ins Jenseits
Frankfurter Rundschau
Ute Lempers „Rendezvous with Marlene“ beim Rheingau Musik Festival
Wer wie Ute Lemper, die Münsteraner Diva auf internationalem Parkett, seit Ende der 80er in Musicals wie „Cabaret“ und „Chicago“, mit Songs von Kurt Weill und Alben wie „Paris Days, Berlin Nights“ berühmt wurde, muss die Musik und Kultur der Zwischenkriegszeit bis hin zum Kalten Krieg wohl lieben. Als Marlene Dietrich die fesche Lola im „Blauen Engel“ spielte und später vor GIs in Frontnähe sang, war das freilich ihr authentisches Hier und Jetzt, während die Dietrich-Affinität Lempers wie ein Leben im Zitat erscheint: ein goldener Käfig. Festgelegt aufs Femme-fatale- und Lacklederne-Pussi-Image nach „Cats“ war Lemper indessen nie. Das zeigen Modernitätsschübe wie ihre „Punishing Kiss“-Welttournee 2017, die Mitarbeit an großen Filmproduktionen und Konzerte beim „Women of the World Festival“. Im Kurhaus Wiesbaden, wo der Genius loci konservative Ästhetik verheißt, hielt die virtuose Künstlerin mehr als ein Requisiten-Set mit Kleiderständer, Plattenspieler und Wein bereit. Sie brachte vor allem ihre Hotline ins Jenseits zum Glühen. Die Kernidee entnahm sie jenem dreistündigen Telefonat, das sie 1988 im Überschwang der Pariser „Cabaret“-Erfolge mit der Mit-Pariserin führte, nachdem sie sich bei der Dietrich brieflich für Pressevergleiche mit ihr entschuldigt hatte. Als Musicalstar und Max-Reinhardt-Seminaristin bringt Lemper die schnörkellos-heisere Telefonierstimme der gealterten, zeitlos gewordenen Heldin von damals gekonnt rüber, Vertraulichkeiten aller Art inklusive.More Related News