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USA: Was bewirkt ein diplomatischer Olympia-Boykott?
DW
Die USA haben einen diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China angekündigt. Der Grund: Fortdauernder "Genozid" und weitere Menschenrechtsverletzungen. Was kann man mit dieser Protestform erreichen?
Der Engländer Charles Cunningham Boycott, geboren 1832, war ein so übler Menschenschinder, dass irgendwann niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben wollte. Die Pächter seiner Ländereien in Irland zahlten ihre Pachtzinsen nicht mehr, alle Mitarbeiter kündigten, niemand kaufte oder verkaufte mehr an ihn, selbst die Post an Boycott wurde nicht mehr zugestellt. Die Strategie, sich kollektiv zu verweigern, wird seither in Anlehnung an die Protestform der irischen Bauern Boykott genannt.
Die USA haben nun für die Olympischen Winterspiele in Peking vom 4. bis 20. Februar 2022 einen diplomatischen Boykott verkündet. Wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erläuterte, wird die Regierung von Präsident Joe Biden keine diplomatischen oder offiziellen Vertreter nach China schicken. Hintergrund seien der fortdauernde "Genozid" in der autonomen Region Xinjiang und andere Menschenrechtsverletzungen. Die US-Regierung werde die amerikanischen Athleten von zu Hause aus anfeuern. Auf die Frage, warum die US-Regierung von einem kompletten Boykott der Spiele absehe, sagte Psaki, man habe die Sportler, die intensiv für die Spiele trainiert hätten, nicht bestrafen wollen.
Werden weitere Regierungen dem Beispiel der USA folgen?
"Wir werden erleben, dass sich Nichtregierungsorganisationen in den nächsten Monaten noch intensiver zu Wort melden und damit den Druck auf nationale Regierungen verstärken", sagte Jürgen Mittag, Sportpolitik-Experte der Deutschen Sporthochschule in Köln, der DW vor der Entscheidung der US-Regierung. Der Wissenschaftler rechnet damit, dass der Prozess voraussichtlich Mitte Januar seinen Höhepunkt erreicht. Dann, so Mittag, "wird man sehen können, ob es wirklich eine konzertierte Aktion gibt, ob also eine größere Zahl von Staats- und Regierungschefs nicht vor Ort sein werden. In diesem Fall wären die Olympischen Spiele sicherlich beschädigt. Und die chinesische Führung hätte nicht realisiert, was sie sich eigentlich von diesen Spielen erhofft: eine positive Präsentation und damit vor allem eine stärkere Zustimmung zum eigenen Land."
Bei Olympischen Spielen haben Boykotte und Boykottdrohungen aus politischen Gründen eine lange Tradition. So nahmen Spanien, die Niederlande und die Schweiz nicht an den Sommerspielen 1956 in Melbourne teil - aus Protest gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in Ungarn. In den 1960er und 70er Jahren verhinderten afrikanische Länder südlich der Sahara mehrfach mit Boykottdrohungen den Start der damaligen Apartheid-Staaten Südafrika und Rhodesien.