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USA und christliche Rechte: „Ein Bund aus Blut, Boden und Religion“
Frankfurter Rundschau
Ein Bericht zum Sturm auf das Kapitol nimmt den Christlichen Nationalismus in den Blick – in den USA immer noch unterschätzt und äußerst erfolgreich auf Macht aus.
Washington – Etwas mehr als ein Jahr ist vergangen, seit ein gewalttätiger Mob am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol einen Galgen errichtete, christliche Flaggen schwenkte und mit dem Kapitol das Herz der amerikanischen Demokratie stürmte. Die Bilder führten eindrücklich vor Augen, was die verschiedenen Gruppierungen, die an diesem Tag Kongressmitglieder und Polizisten bedrohten, einte: ihr Christlicher Nationalismus.
Auf die Präsenz christlicher Symbolik neben der von White Supremacists wurde bereits kurz nach dem Angriff hingewiesen. Jetzt ist unter Mitarbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen und einer Journalistin ein umfangreicher Bericht erschienen, der das Ausmaß des Einflusses des Christlichen Nationalismus an diesem Tag präzise und ausführlich analysiert. Beteiligt an der Studie waren auch die säkulare „Freedom from Religion Foundation“, das Bündnis „Christians Against Christian Nationalism“ und das „Baptist Joint Committee for Religious Liberty“, die eindringlich vor der Gefahr für die amerikanische Demokratie durch Christlichen Nationalismus warnen.
Aber was versteht man überhaupt unter Christlichem Nationalismus? „Christlicher Nationalismus“, erklärt der Soziologe Andrew Whitehead bei der Präsentation des Berichts, sei „ein sozio-kulturelles Gerüst mit ethno-nationalistischen Implikationen, das das Christentum mit dem öffentlichen Leben verschmelzen lässt“. Es vereine „verschiedene Elemente, darunter beispielsweise Traditionalismus sowie die Befürwortung von autoritärer und rassistischer Gewaltausübung“. Seine Legitimation zieht dieses Weltbild aus einem „Goldenen Zeitalter“, das nie existiert hat. Kurz gesagt: Weiße Christliche Nationalisten glauben, dass Amerika von Weißen Christen für Weiße Christen gegründet worden sei. Jeder, der diese Kriterien nicht erfüllt, kann in ihren Augen kein „wahrer“ Amerikaner sein.
Doch diese Ideologie prägt nicht nur die Sicht auf die ferne Vergangenheit, sondern auch das Hier und Jetzt: „Christlicher Nationalismus, das zeigt unsere Studie, hilft Amerikanern dabei, die Ereignisse des 6. Januars in Richtung zukünftiger, autoritärer Gewalt umzudeuten“, sagt der Soziologe Samuel Perry. Konkret: Je mehr Indikatoren des Christlichen Nationalismus erfüllt sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Befragten Trump keine Schuld am Sturm auf das Kapitol geben und dass sie an Verschwörungsmythen glauben, die behaupten, dass die „Black Lives Matter“-Bewegung oder die Antifa dafür verantwortlich seien.
Die Journalistin Katherine Stewart berichtet seit mehr als zehn Jahren über die Religiöse Rechte. Christlicher Nationalismus, so Stewart in dem Bericht, habe in Trumps Versuch, die Wahl zu stehlen, eine entscheidende Rolle gespielt. Mehr noch, der Christliche Nationalismus habe die Voraussetzungen geschaffen, die den Terrorangriff vom 6. Januar erst möglich gemacht hätten: eine hermetisch geschlossene Informationsblase, in der eine Anhängerschaft mit Falschinformationen versorgt und aufgestachelt werden konnte, sowie die Verbreitung eines Gefühls von Verfolgung und von Rachedurst unter den „Fußsoldaten“ der Religiösen Rechten. Diese Emotionen richteten sich direkt gegen die politischen Gegner, die als „dämonische Kräfte“ dargestellt seien, „gegen die man sich im Krieg befindet“. Und schließlich werde die Überzeugung verbreitet, dass die Legitimität der amerikanischen Regierung sich aus einer bestimmten religiös-kulturellen Grundlage herleite, „einem Bund aus Blut, Boden und Religion“.