
USA: Missbrauchsskandal im Frauenfußball – Die hässliche Fratze hinter dem schönen Schein
Frankfurter Rundschau
Lange galt der US-Frauenfußball als besonders fortschrittlich. Nun sorgt ein Missbrauchsskandal für Entsetzen. In Deutschland sind bislang keine vergleichbaren Fälle bekannt.
Es ist ein Ritual, an das sich auch Deutschlands beste Fußballerin in den USA erst noch gewöhnen muss. Wenn die von Olympique Lyon an den Schwesterklub OL Reign ausgeliehene Dzsenifer Marozsan in der National Women’s Super League (NWSL) ein Punktspiel wie kürzlich gegen die Chicago Red Stars (3:2) bestreitet, versammeln sich nach sechs Minuten alle Spielerinnen am Mittelkreis. Das Publikum in dem umfunktionierten Baseball-Stadion in Tacoma im US-Bundesstaat Washington spendet mächtig Beifall, als noch Ersatzspielerinnen und Betreuer dazukommen, die schwarze Shirts mit der Aufschrift „Farrelly“ tragen.
Die ehemalige NWSL-Spielerin Sinead Farrelly hat zusammen mit ihrer Kollegin Mana Shim mit ihren Enthüllungen zum sexuellen Missbrauch im US-Frauenfußball eine Lawine losgetreten. Es geht um eine toxische Kultur, bei der vor allem männliche Trainer ihre (Macht-)Position schändlich ausnutzen. Weil es sechs Jahre bis zu einer ernsthaften Untersuchung durch die eigene Liga brauchte, bilden die Akteur:innen nach sechs Minuten den Kreis. Als symbolische Protestnote gegen die Vertuschung des strukturellen Sexismus.
Farrelly enthüllte, bereits vor zehn Jahren von ihrem Trainer Paul Riley in Philadelphia erstmals sexuell belästigt und genötigt worden zu sein. „Ich fühle mich unter seiner Kontrolle“, lautete ihr Vorwurf. „Er ist ein Raubtier. Er hat unsere Karrieren zerstört“, sagte Shim über den Coach, der in North Carolina umgehend seinen Job verlor, vom Verband die Lizenz entzogen bekam, aber alle Anschuldigungen als „völlig unwahr“ zurückwies. Er habe in einer Bar die Spielerinnen getroffen und die Rechnungen bezahlt – mehr nicht.