Urteil: Litauens verschärfte Asylregeln verstoßen gegen EU-Recht
DW
Ein Asylbewerber darf nicht allein deshalb inhaftiert werden, weil er sich illegal in einem Land aufhält. Eine entsprechende Regelung in Litauen verstößt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht.
Anlass für das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) war die litauische Notstands-Regelung, wonach Asylbewerber bei illegalem Grenzübertritt inhaftiert werden dürfen und auch ihr Zugang zu Verfahren für internationalen Schutz eingeschränkt werden darf. Der illegale Aufenthalt in einem Land reiche als Haftgrund nicht aus, entschied der Gerichtshof in Luxemburg. Auch Litauens Begründung, dass durch die hohe Migrantenzahl die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gestört werde, sei nicht ausreichend. Der Staat müsse in solchen Fällen deutlich machen, dass der Asylbewerber eine Bedrohung für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung sei, erklärten die Richter per Eilvorabentscheidung. In dem Fall geht um neue Asylregelungen in Litauen wegen der Lage an der Grenze zu Belarus.
Im Sommer 2021 kamen tausende Flüchtlinge über Belarus an die EU-Außengrenzen in Litauen, Polen und Lettland, wurden dort aber abgewiesen. Die EU warf dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Migranten gezielt an die EU-Außengrenzen zu schleusen, um Druck auf europäische Staaten auszuüben. Wegen der großen Anzahl von Menschen rief Litauen im Juli den Notstand aus und erließ verschärfte Vorschriften für Geflüchtete. Unter anderem wurden Asylbewerber nach dem illegalen Grenzübertritt ins Gefängnis gebracht.
Die Hilfsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil des Gerichtshofs. "Im Jahr 2022 ist die Feststellung dieser völkerrechtlichen Selbstverständlichkeiten bitter nötig", erklärte Karl Kopp, der Leiter der Europaabteilung bei Pro Asyl. Das Gericht habe den EU-Staaten einige rote Linien aufgezeigt. Durch die litauischen Gesetzesverschärfungen seien die Rechte von Schutzsuchenden massiv eingeschränkt worden.
Die Europa-Abgeordnete Cornelia Ernst nannte das Urteil eine gute Nachricht und europaweit bedeutsam. "Die litauischen Notstands-Vorschriften von 2021, die eine pauschale Inhaftierung von Menschen erlaubten, die aus Belarus in die EU kamen, sind ein klarer Bruch des EU-Recht", sagte die Linken-Politikerin.
Unterdessen teilte die litauische Regierung mit, sie werde 55 Millionen Euro von der EU-Kommission zur Stärkung des Schutzes seiner EU-Außengrenze bekommen. Mit der Finanzhilfe soll die gesamte Grenze zu Belarus mit Überwachungssystemen bestückt werden, erklärte das Innenministerium in Vilnius. Sie sollen in diesem und im kommenden Jahr in sechs Grenzabschnitten installiert werden. Die Arbeiten dafür seien schon im Gange. Litauen hat eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu dem autoritär regierten Nachbarland Belarus. Bislang sind rund 70 Prozent davon mit Überwachungssystemen ausgestattet.