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Unternehmen sollen für Umweltschäden und Zwangs- und Kinderarbeit haften
RTL
Fast 80 Millionen Kinder arbeiten weltweit - auch für deutsche Produkte. Mit dem Lieferkettengesetz sollen Unternehmen die Verantwortung dafür übernehmen.
Der Bundestag hat bereits ein Gesetz beschlossen, nun legt die EU-Kommission nach: Große Unternehmen sollen keine Gewinne mehr mit Kinder- oder Zwangsarbeit in ihren internationalen Lieferketten machen. Das geht aus einem bereits bekannt gewordenen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz hervor, das noch strenger werden könnte, als die deutsche Regelung. Zum einen könnten deutlich mehr Firmen von den neuen Regeln betroffen sein, zum anderen könnte noch stärker auf Umweltzerstörung eingegangen werden. Änderungen an dem Entwurf sind aber nicht ausgeschlossen.
Konkret sieht der Entwurf mehrere Grenzen vor. Firmen in der EU sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist. Hier sind 250 Angestellte vorgesehen. Bei Firmen aus Drittstaaten gilt je nach Risiko ein Umsatz von 150 Millionen beziehungsweise 40 Millionen Euro, der in der EU erwirtschaftet werden muss. Zu solchen Risikobranchen zählen etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft.
Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 13 000 EU-Firmen und 4000 Firmen aus Drittstaaten betroffen. Es gibt aber auch andere Schätzungen: Der CDU-Politiker Markus Pieper sagte der "Rheinischen Post", er gehe davon aus, dass allein 14 000 deutsche Unternehmen betroffen seien.
Während die geplante EU-Richtlinie noch weiter vom Europaparlament und den EU-Ländern verhandelt werden muss, ist das deutsche Gesetz schon beschlossen. Es gilt ab 2023, und zwar vorerst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000. Laut Statistik gibt es in Deutschland rund 2890 Unternehmen ab 1000 Beschäftigte. Kleinere Unternehmen sind nicht betroffen. Auch Umweltzerstörungen sind von dem Gesetz erfasst, aber nur wenn diese Leid bei Menschen oder Korruption erzeugen.
Dem Entwurf zufolge sollen die Mitgliedstaaten Regeln für die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden festlegen, wenn deren Sorgfaltspflichten nicht eingehalten werden. Dazu zählt, dass Unternehmen Risiken für Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten identifizieren und angemessene Maßnahmen ergreifen sollen, um potenziell nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu minimieren.
Verbraucher sollten darauf vertrauen können, dass keine mit Kinder- oder Zwangsarbeit produzierten Produkte angeboten werden oder Profit auf Kosten der Umwelt gemacht wird. Nicht ausgeschlossen ist, dass es weniger Dumpingpreise geben könnte, wenn Niedrigstlöhnen die Basis entzogen wird.
Wegen des neuen Lieferkettengesetzes plant einer Studie zufolge etwa jedes fünfte Unternehmen in Deutschland eine Preiserhöhung seiner Produkte. Ziel sei es, die zusätzlichen Kosten für die Einhaltung des Gesetzes auszugleichen, heißt es in einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln unter rund 1000 Firmen, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Etwa zwölf Prozent beabsichtigen, Länder mit schwachen Governance-Strukturen und hier vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer aufgrund der neuen Vorschriften zu verlassen. Rund 18 Prozent planen, Vorprodukte nur noch aus Ländern zu beziehen, die hinreichend auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards achten.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor einer Überlastung deutscher Unternehmen. "Es drohen enormer Aufwand und hohe Kosten - für vergleichsweise wenig Wirkung", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian.