Ungleichheit in der Welt so groß wie seit 100 Jahren nicht mehr
ProSieben
In der Welt häufen sich die Krisen, Leidtragende sind vor allem die Ärmsten. UN-Hochkommissarin Bachelet fordert mehr Solidarität - und stellt bei Menschenrechtsverletzungen auch Länder an den Pranger.
Angesichts der weltweit wachsenden Armut hat die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die reichen Länder zu mehr Entwicklungshilfe aufgefordert. Die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung hätten mit der Corona-Pandemie die größten Einkommenseinbußen erlitten, sagte Bachelet am Montag zum Auftakt der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Auch von der Klimakrise seien sie besonders stark betroffen. Die Ungleichheit in der Welt sei nach einer Studie so groß wie seit mehr als 100 Jahren nicht mehr.
Ärmere Länder ächzten unter großen Schuldenbergen. Entwicklungsländer müssten in diesem Jahr mehr als 300 Milliarden Dollar allen dafür aufbringen, Darlehen zu bedienen; Geld, das fehle, um in ihre Entwicklung zu investieren. Zur Bewältigung der Schuldenkrise müssten neue Lösungen gefunden werden. Sie rief reiche Länder auf, ihre Anstrengungen verdoppeln, um 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die internationale Zusammenarbeit bereitzustellen. Deutschland hat dieses Ziel nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach vorläufigen Berechnungen 2021 erreicht.
Bachelet erwähnte zahlreiche Länder mit Besorgnis erregenden Entwicklungen. Sie sprach über die verheerenden Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die weltweiten Folgen. Sie kritisierte die Verhaftung von Kriegsgegnern in Russland und die Einschränkung der Presse- und Redefreiheit. Bei ihrer kürzlichen Reise nach China habe sie Sorge über die Internierung von Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten in Xinjiang und Menschenrechtsverletzungen gegen sie zur Sprache gebracht.
Die Hochkommissarin kritisierte Prozesse gegen Regierungskritiker in der Türkei wie Osman Kavala. Sie verlangte von Israel eine lückenlose Aufklärung über den Fall der vor einigen Wochen im Westjordanland getöteten Journalistin Schirin Abu Akle. Sie sei besorgt über Pläne der britischen Regierung, die Menschenrechtsgesetze zu beschneiden.
Im Laufe der Woche will Bachelet ausführlich über die Lage in der von Russland eingenommenen ukrainischen Stadt Mariupol berichten. Die 47 Mitglieder des Rates erörtern in den kommenden vier Wochen die Menschenrechtslage in aller Welt. Die im Rat vertretenen Länder - zur Zeit auch Deutschland - werden für jeweils drei Jahre von der UN-Vollversammlung gewählt. Der Rat kann Verstöße anprangern und Untersuchungen beschließen. Konkrete Mittel, Menschenrechtsverletzungen abzustellen, hat er nicht.