Ungarns Votum für Finnland: Orban in der Sackgasse
DW
Ungarns Parlament hat nach zehn Monaten Wartezeit Finnlands NATO-Beitritt abgesegnet, nicht jedoch den Schwedens. Was bezweckt Ungarns Premier Viktor Orban mit dieser Verzögerungspolitik?
Oft geht es blitzschnell im ungarischen Parlament. Wenn Ungarns Premier Viktor Orban es eilig hat, lässt er seine Parlamentarier schon mal in den späten Abendstunden Dutzende Gesetze, die erst kurz zuvor eingereicht wurden, im Fließbandverfahren verabschieden. Manchmal unterzeichnet dann das Staatsoberhaupt - derzeit ist Katalin Novak Präsidentin - sogar umgehend, damit der Text sofort im Amtsblatt veröffentlicht werden kann.
Anders im Fall des NATO-Beitritts von Finnland und Schweden. Um die Mitgliedschaft der beiden Länder zu ratifizieren, braucht das ungarische Parlament nicht Stunden, sondern inzwischen bereits viele Monate. Nachdem terminlich angesetzte Abstimmungen immer wieder verschoben worden waren, stimmten die Abgeordneten in Budapest nun am frühen Montagabend (27.03.2023) mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt Finnlands. Nicht jedoch für den Schwedens. Wann und unter welchen Umständen dieses Votum stattfindet, ist unklar.
Seit rund zehn Monaten spielt Ungarn dieses Spiel. Es ist damit neben der Türkei das einzige NATO-Mitgliedsland, das um den geplanten Beitritt Finnlands und Schwedens derartige politische Manöver und Blockaden veranstaltet. Doch anders als im Falle der Türkei, die Finnland und Schweden zur Auslieferung von Regimegegnern und zu einem anderen Umgang mit der PKK zwingen möchte, hat die ungarische Regierung weit weniger greifbare Ziele.
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Viktor Orbans Strategie einer vor allem von Wirtschaftsinteressen geleiteten Außenpolitik, die in Ost und West gleichermaßen um Kooperation bemüht ist, über den Haufen geworfen. Ungarn hat sich einerseits in eine tiefe russische Abhängigkeit begeben und ist zugleich eines der EU-Länder mit dem engsten Verhältnis zu China. Andererseits steht es von Seiten der NATO und der EU immer mehr unter Druck, sich klar gegen Moskau zu positionieren. Zudem belastet der langjährige Streit mit Brüssel die Wirtschaft des Landes - wegen Korruptionsvorwürfen hält die EU Fördergelder in Milliardenhöhe zurück. In dieser Situation wirkt Orbans Haltung zur NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens, als wolle er unbedingt im Gespräch bleiben, den Preis hochtreiben, aber auch wie ein verzweifeltes Querschießen, weil er sein Land in eine immer tiefere außenpolitische Sackgasse geführt hat.
Allerdings könnte das Votum für Finnland nun ein genauso verzweifelter Versuch Orbans sein, eine Wende anzudeuten und sein Gesicht zu wahren. Denn noch vor kurzem hieß es aus Ungarn, man könne die NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens nicht ratifizieren, solange Politiker beider Länder sich wahrheitswidrig und in respektloser Weise über den Zustand der ungarischen Demokratie äußerten. Im Fall Finnlands fielen diese Bedenken plötzlich - ohne dass irgendein finnischer Politiker öffentlich irgendeine Entschuldigung gegenüber Ungarn ausgesprochen hätte. Zu Schweden heißt es aus Kreisen der ungarischen Regierung weiterhin, dass dortige Politiker "die ungarischen Wähler und Ungarn beleidigen" würden und die NATO-Mitgliedschaft des Landes deshalb nicht so einfach ratifiziert werden könne.