Und plötzlich geht nichts mehr: Portrait einer Angststörung
Frankfurter Rundschau
Christa Rosenberger zittert und schwankt und weiß nicht, weshalb. Eine diffuse Angst treibt sie um. Trotzdem genießt sie das Leben. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Es gibt keine klaren Gesetze in der Disposition des modernen Menschen im komplexen Wechselspiel von Geist, Psyche und Körper.“ (Siri Hustvedt in „Die zitternde Frau“)
Später werde ich sagen, dass es Anzeichen gab: eine schleichende Unsicherheit, ein diffuses Gefühl der Beklemmung, Vermeidungsstrategien, Ausreden. In der Frankfurter Innenstadt, an der Konstablerwache, machte ich stets einen Umweg, um nicht die Straße überqueren zu müssen, an der aus beiden Richtungen die Straßenbahnen heranrauschten. Eine der Rolltreppen war mir zu schnell, ich nahm lieber die Stufen. Die U-Bahn war mir seit geraumer Zeit suspekt, weil sich deren Türen schon nach drei Sekunden schließen, und beim Ein- und Aussteigen aus der S-Bahn kam ich bereits mehrmals ins Straucheln.
Aber das alles war nichts gegen die totale Blockade an einem sonnigen Junitag – mitten auf einem Zebrastreifen. Meine Knie fingen an zu zittern, plötzliches Erstarren. Ich konnte mich nicht mehr von der Stelle bewegen, war wie festgewachsen. Autos stauten sich, einer der Fahrer fing an zu hupen. Die nackte Panik. Ein Passant führte mich an der Hand auf die andere Seite, und ich schaffte es gerade noch, ein Taxi zu rufen, das mich in Sicherheit brachte. In mein Zuhause im Vordertaunus. Nach dieser Begebenheit ging gar nichts mehr. Ich hatte Watte- und Wolkengefühle in den Beinen, sobald ich nur von einem Stuhl aufstand.