Ukraine verpasst dramatisch WM-Ticket
DW
Das kleine Fußballmärchen in düsteren Zeiten ist ausgeblieben: Die Nationalmannschaft der vom Krieg gebeutelten Ukraine muss sich in einer dramatischen und emotionalen Partie gegen Wales geschlagen geben.
Als Artem Dovbyk in der 84. Minute seine Nackenmuskeln anspannte, um eine Flanke von der linken Seite ins walisische Tor zu befördern, schien die Zeit stillzustehen. Einige Ukrainer im Stadion in Cardiff machten sich bereit, in den verregneten Abendhimmel zu springen und zu jubeln. Doch der walisische Schlussmann hatte andere Vorstellungen. Wayne Hennessey riss seinen linken Arm hoch und wehrte den Kopfball ab. Die Enttäuschung bei den ukrainischen Fans war spürbar.
Der Name des Torhüters hallte kurz darauf durch das Stadion. Es war nicht die einzige "Heldentat", die Hennessey an diesem Abend beim entscheidenden Play-off-Endspiel zwischen Wales und der Ukraine, zeigen musste. Der Torhüter hatte einen entscheidenden Anteil an der zweiten WM-Teilnahme Wales' nach 1958. Den Siegtreffer fiel durch ein Eigentor des früheren Dortmunders Andrij Jarmolenko (34.) mit 0:1 (0:1). Die Nationalmannschaft der vom Krieg gebeutelten Ukraine verpasste damit das letzte europäische Ticket für die WM-Endrunde in Katar in dramatischer Art und Weise.
Als der Schlusspfiff ertönte und die Heimfans einen kollektiven Schrei der Erleichterung ausstießen, hielten die Gelb-Blauen ihre Fahnen hoch und verschränkten die Arme über dem Kopf oder hielten sich die Hände vor das Gesicht. Während sich walisischen Spieler um Superstar Gareth Bale von ihren Fans feiern ließen, blieb Jarmolenko zurück und hielt sich sichtlich verzweifelt die Hände vor die Augen. Doch als er und seine Mannschaftskameraden ihre eigenen Fans sahen, überwand der Stolz die Probleme. Nationalmannschaft und Fans zeigten die Art von Widerstandskraft, durch die sie in den letzten Monaten weltweit bekannt geworden waren.
Dieser Nationalstolz war bereits Stunden vor dem Anpfiff deutlich zu spüren, als es in den kühlen, grauen Straßen von Cardiff zu Umarmungen, Händeschütteln und der Einsicht kam, dass alles, was dann folgen sollte, nur von relativer Wichtigkeit ist. Doch für die etwa 90 Minuten sollte der Krieg in ihrem Heimatland zur Nebensache werde. Da waren sich die angereisten Fans einig. "Der Bruder meiner Frau kämpft jetzt im Krieg und es ist so schwer", sagte Ukraine-Fan Vitali, der seit neun Jahren in London lebt, vor dem Spiel zur DW. "Im Moment können sie vielleicht zwei Stunden lang über Fußball nachdenken und über das Spiel reden, ein paar Geschichten erzählen. Morgen wird es dann anders sein und wir unterstützen wieder unser Land im Krieg."
Als beide Teams den Rasen des Stadions betraten, erfuhren vor allem die Gäste Unterstützung aus allen Ecken des Stadions. Mit ihren Landesfahnen über den Schultern betraten die ukrainischen Spieler zum zweiten Pflichtspiel seit Beginn des Krieges den Platz und sangen dann inbrünstig die Hymne mit. Gelbe und blaue Fahnen wurden in einigen Teilen der Arena geschwenkt und die rund 2000 ukrainischen Fans unterstützten ihr Team lautstark.