Ukraine-Krise: Sofort alle Truppen abziehen – auch die der Nato!
Frankfurter Rundschau
Friedensforscherin Martina Fischer über russische und westliche Drohungen, einseitige Darstellung des Konflikts und gefährliche Reaktionsmuster.
Frau Fischer, viele Experten für Sicherheitsfragen sehen Europa schon halb im Krieg. Sie auch?
Ich bin ein optimistischer Mensch und hoffe auf erfolgreiche Vermittlungen. Damit die Situation nicht weiter eskaliert, müssen alle zur Einsicht kommen. Alle Kanäle müssen genutzt werden – Gespräche im Normandie-Format mit den Garantiestaaten des Minsker Friedensabkommens, also Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine, und auf höchster Ebene zwischen den Präsidenten Joe Biden und Wladimir Putin. Dabei müssen sich alle Beteiligten bewegen und ihre politischen und strategischen Ziele infrage stellen. Dass der Westen über Sanktionen nachdenkt, ist zwar angemessen – aber Sanktionen transformieren keine Konflikte.
In der Konflikttheorie werden verschiedene Stufen der Eskalation beschrieben. Auf welcher befinden wir uns?
Unbearbeitete Konflikte entwickeln sich in neun Stufen. Es beginnt mit Polarisierung und einer Verhärtung der Positionen. Dann folgen Taten statt Worte sowie die Suche nach Imagegewinn und Koalitionspartnern. Die Kontrahenten wollen ihre Umgebung von ihrer Position überzeugen – was wir zur Zeit ja ganz massiv erleben. Anschließend gehen beide Seiten zu Drohstrategien über, um Gesichtsverlust zu vermeiden. Auf den letzten Stufen kommen die ersten Vernichtungsschläge, Zersplitterung und am Ende geht es gemeinsam in den Abgrund.
Angesichts der Drohgebärden plus flankierender Propaganda ist die Eskalation also schon weit fortgeschritten.