Ukraine-Krise: Serbien in der Zwickmühle
DW
Das Westbalkanland Serbien und sein Präsident Aleksandar Vucic müssen in der Ukraine-Krise einen besonderen Spagat hinlegen. Denn Belgrad will nicht einfach auf der "russischen" oder der "westlichen" Seite stehen.
"Putins Schachmatt für die Ukraine", titelte am Mittwoch (23.02.2022) das Belgrader Boulevardblatt Informer in Großbuchstaben. Das inoffizielle Sprachrohr des Staatspräsidenten Aleksandar Vucic und seiner regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) sieht die Schuld für die Ukraine-Krise bei den "Amerikanern" - sie würden gerade die ganze Welt ins Chaos stürzen. Derartige Aussagen sind in Serbien zur Zeit kein Einzelfall, sondern die Regel. An Zeitungsständen von Kiosken begegnen einem allenthalben ähnliche Schlagzeilen vorwiegend regierungstreuer Medien.
Präsident Aleksandar Vucic - der den Chefredakteur von Informer, Dragan Vucicevic, als persönlichen Freund und großartigen Journalisten preist - will mit all dem nichts zu tun haben. "Bei uns sind 80 Prozent der Medien auf der russischen Seite, die restlichen 20 Prozent sind im voraus gegen die Russen", sagte Vucic am Montag (21.02.2022) in einer dramatischen Ansprache im Fernsehen. "Wir schaden uns selbst damit, anstatt die Ruhe zu bewahren und unversehrt durch diese Weltkrise zu gehen."
Das Westbalkanland und sein Lenker Vucic seien offensichtlich in eine Zwickmühle geraten, meint Mladen Lisanin vom Institut für politische Studien (IPS) in Belgrad. "Serbien laviert jetzt zwischen dem Prinzip der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen und Pragmatismus, um die guten Beziehungen zu Russland nicht zu gefährden", so der Politologe gegenüber der DW.
Einerseits wird Russland traditionell als "orthodoxe Mutter" betrachtet, als eine Weltmacht, die Serbien fraglos unterstützt, wenn es um die "abtrünnige Provinz" Kosovo geht. Die NATO-Bombardierung von 1999 und die nachfolgende Unabhängigkeit Kosovos sind noch heute ein heißes innenpolitisches Eisen in Serbien.
Andererseits wird gerade wegen der "Causa Kosovo" der Separatismus im Donbass nicht gutgeheißen. Offiziell erkennt Belgrad die "territoriale Integrität" der Ukraine an. Und: Kiew wie Belgrad erkennen Kosovo nicht als Staat an.