Ukraine-Krieg: Zahnloser UN-Sicherheitsrat
DW
Russland kann als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat jede Resolution verhindern, die sein Vorgehen in der Ukraine verurteilt. Was ist der Rat dann wert, fragt der ukrainische Präsident Selenskyj.
Vor dem Weltsicherheitsrat in New York wurde Anfang April ein Video aus dem Krieg in der Ukraine abgespielt. Es zeigte "furchtbare Bilder", so die britische UNO-Vertreterin Barbara Woodward, von zivilen Todesopfern in Butscha, einem Vorort von Kiew. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte in einer Rede an die Mitglieder des Sicherheitsrates Russland für "Kriegsverbrechen" verantwortlich.
Doch egal, wie die Vorwürfe lauten, sie haben für Russland in diesem einflussreichsten UN-Gremium mit seinen fünf ständigen und weiteren zehn nichtständigen Mitgliedern keinerlei Konsequenzen. Der Grund: Russland hat als eines der ständigen Mitglieder ein Vetorecht. Das heißt, wenn nur einer dieser Staaten – die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – sein Veto einlegt, kann er jeden Beschluss verhindern. Das hatte Russland bereits einen Tag nach dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar getan: Der Rat hatte eine Resolution zur Diskussion gestellt, die den russischen Angriff unverzüglich beenden sollte. Russland wehrte die Resolution mit seinem Veto ab.
Nach Artikel 24 der Charta der Vereinten Nationen sollen die UN-Mitgliedsstaaten – derzeit sind es 193 – dem Rat "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" übertragen. Doch was ist, wenn eines der ständigen Mitglieder selbst einen Angriffskrieg führt?
"Wo ist denn die Sicherheit, für die der Sicherheitsrat sorgen soll?", fragte der ukrainische Präsident Selenskyj rhetorisch in die Runde. Die Vertreter des Rates sollten dafür sorgen, "Russland als Aggressor und Kriegsauslöser zu entfernen, damit es nicht länger Entscheidungen über seine eigene Aggression blockieren kann". Ohne tiefgreifende Reformen könne sich der Sicherheitsrat auch gleich "selbst auflösen" und die Vereinten Nationen könnten "dichtgemacht" werden.
Wie zahnlos der Sicherheitsrat im Ukraine-Krieg agiert, dass musste auch UN-Generalsekretär António Guterres selbst Ende April einräumen. Bei einem Besuch in Kiew sagte Guterres, der Rat habe nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um den Krieg zu verhindern. "Das ist eine Quelle großer Enttäuschung, Frustration und großen Ärgers", sagte der höchste Vertreter der Vereinten Nationen, ohne Russland zu nennen. Guterres war zuvor in Moskau gewesen, konnte dort aber erwartungsgemäß nichts für einen Frieden ausrichten. Guterres zeigte sich in Kiew "schockiert", dass während seiner Anwesenheit dort zwei Raketen einschlugen.