
Ukraine-Krieg bei „Hart aber fair“ – Steile Thesen und fachfremde Spekulationen dürfen nicht fehlen
Frankfurter Rundschau
Der ARD-Talk mit Frank Plasberg bietet gewagte Küchenpsychologie, Ferndiagnosen und durchaus sachliche Einordnungen. Die TV-Kritik zu „Hart aber Fair“.
„Gilt nur noch das Recht des Stärkeren? Wie hilflos ist der Westen gegen Wladimir Putin?“ fragt Moderator Frank Plasberg zu Beginn der neuesten Ausgabe des ARD-Talkformats „Hart aber fair“. Er diskutiert mit dem ehemaligen NATO-General Hans-Lothar Dormröse, mit Sabine Fischer, der Osteuropa- und Russland-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Im Studio mit von der Partie sind der ehemalige Leiter des ARD Studios Moskau Udo Lielischkies und der Journalist Gabor Steingart.
Zugeschaltet äußert sich der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk in der Talkrunde, der in seinem ersten Statement des Abends zunächst die Kehrtwende der Bundesregierung in den Punkten der Sanktionen gegen Russland und Putin sowie bei der Lieferung von Waffen an die ukrainische Armee lobt, jedoch auch zu bedenken gibt, dass diese „viel zu spät kommt, aber hoffentlich kann man diese Entscheidung zum Guten drehen“.
Wie es sich für einen echten Plasberg-Talk am Montagabend gehört, dürfen auch in dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ steile Thesen und fachfremde Spekulationen nicht fehlen. Im Epizentrum der küchenpsychologischen Hypothesen und Ferndiagnosen, stehen die beiden Journalisten Steingart und Lielischkies, die über die psychische Verfasstheit und Motivation des russischen Präsidenten Wladimir Putin spekulieren und streiten.
Für den ehemaligen Moskau-Korrespondenten Lielischkies steht fest, dass Putin sich das Narrativ des aggressiven Westens über Jahre hinweg als notwendiges Phänomen geschaffen habe, um innenpolitisch profitieren zu können. „Dann kam eine Entwicklung der Isolation, in der Putin zum Hobbyhistoriker wurde, die Regierungsgeschäfte sausen ließ und sich nicht mehr um Innenpolitik kümmerte. Seitdem liest er Geschichtsbücher und entwickelt historische Visionen“, berichtet Lielischkies und stellt die Frage: „Gibt es bei Putin noch Fragmente von Rationalität? Oder ist er an einem Punkt, an dem er nur noch in die Geschichtsbücher eingehen will.“ Was das für Putin heißt? Für den ehemaligen ARD-Korrespondenten steht fest: „Dazu gehört für Putin die Wiedervereinigung der drei Staaten Russland, Ukraine und Belarus.“
Wird zunächst also das Bild des unzurechnungsfähigen russischen Präsidenten gezeichnet, so versucht der langjährige ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts Gabor Steingart eine Gegenthese zu entwickeln und berichtet von einer persönlichen Begegnung im Jahr 2013 mit dem russischen Präsidenten: „Putin ist ein sehr gebildeter Mensch. Aber ist er wirklich ein Wahnsinniger, der im Adolf-Hitler-Style sehr, sehr weit gehen würde?“ Die selbst gestellte Frage beantwortet sich Steingart dahingehend wenig originell selbst, dass in diesem Falle ein anderes Vorgehen notwendig sei als jenes, wenn man bei Putin noch von vorhandener Rationalität ausgehen könnte.